Merani und die Schlange unter dem Meer
geworden.«
Während die Dienerinnen sie stützten, flößte Yanga ihr etwas Wein ein. Zuerst trank Mera gierig, schob dann aber den Krug weg. »Ich darf in dieser Situation nicht betrunken werden. Sollte es wieder losgehen, muss ich bei klarem Verstand sein!«
»Du meinst, es könnte sich erneut ein Unwetter zusammenbrauen?« Merani schüttelte sich bei der Vorstellung.
Ihre Mutter nickte bedrückt. »Die Stürme entstehen in immer kürzeren Abständen, und jeder neue ist stärker als der vorherige. Bis jetzt konnten wir sie auf das offene Meer hinauslenken. Diesmal aber hat der Feuerthron die magischen Entladungen gegen uns selbst gerichtet. Zum Glück habt ihr beide die Gefahr gemeistert. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was sonst passiert wäre.«
Girdhan streckte die Hand nach seiner Frau aus, wagte aber nicht, den Feuerthron zu verlassen. »Wie geht es dir?«
Mera horchte in sich hinein. »Ich habe mich schon besser gefühlt. Dieses Ding da« – sie zeigte anklagend auf den Feuerthron – »hat mich so überraschend mit grüner Magie überschüttet, dass ich mich nicht mehr abschirmen konnte.«
Unterdessen schlüpfte Meranis Zofe Qulka in die Halle und trat auf ihre Herrin zu. »Ich habe heißen Vla aus der Küche geholt. Ihr habt sicher Durst, nachdem Ihr so kräftig gezaubert habt.«
»Ich habe nicht gezaubert, sondern … Ach, gib her!« Merani griff nach dem dampfenden Krug.
»Vorsicht! Er ist heiß!«, warnte das Mädchen mit der kurzen, drahtigen Mähne, das kaum älter sein konnte als Merani. AberQulka hatte bereits die stämmige Figur und das breite Gesicht mit der vorgeschobenen Kieferpartie, die ihre gurrländische Herkunft verrieten. Wenn sie lächelte, wurden sogar schon die unteren Eckzähne sichtbar.
Im Vergleich zu Qulka wirkte Merani so dünn wie eine Zaunlatte. Sie war jedoch einen Kopf größer als ihre Zofe und hatte weiches schwarzes Haar, das ihr in Wellen bis zu den Hüften fiel. Ihre Haut wirkte jedoch ähnlich wie Qulkas so braun, als hielte sie sich ständig in der Sonne auf. Auch besaßen beide fast schwarze Augen, die bei der magisch hochbegabten Merani von innen her zu leuchten schienen. Meranis Hände, die sich nun um den Krug mit Vla schlossen, waren im Gegensatz zu denen der kleinen Gurrländerin schmal und lang.
Die Erleichterung darüber, ihrem Vater geholfen und eine tödliche Gefahr für ihre Mutter und deren Heimat abgewehrt zu haben, ließ Merani übermütig werden. Sie setzte ihre magischen Kräfte frei und im nächsten Augenblick wehte eine kühle Brise durch die Halle. Der Wind strich so an ihrem Krug vorbei, dass sich auf der Außenseite kleine Eiskristalle bildeten.
»Jetzt ist der Vla gut genug abgekühlt«, sagte sie und trank gierig.
Girdhan hatte ebenfalls einen Krug mit Vla von seinem Leibdiener entgegengenommen und leerte diesen in einem Zug. Dann blickte er seine Frau ratlos an. »Was machen wir, wenn der Feuerthron sich beim nächsten Mal wieder unserer Herrschaft entzieht?«
»Wenn ich das wüsste, wäre mir wohler!« Mera ließ sich von ihren Dienerinnen aufhelfen und setzte sich auf die unterste Stufe des Throns. Als Merani ihr Platz machen wollte, wehrte sie ab.
»Bleib! Es geht mir noch nicht so gut, als dass ich mich gleich wieder zu Girdhan setzen könnte. Deiner Ausbildung dürfte es nicht schaden, wenn du eine Weile den Thron überwachst. Yanga soll dich anleiten.«
Meranis Lehrerin, die gleichzeitig die Haushofmeisterin des Kaiserpaareswar, streckte erschrocken die Hände von sich. »Diesem Ding will ich nicht zu nahe kommen! Ich habe es gehasst, seit ich es zum ersten Mal gesehen habe.«
»Du sollst dich ja auch nicht darauf setzen, sondern unserer Tochter erklären, was sie tun muss, um den Thron unter Kontrolle zu halten. Ich brauche erst einmal viel Schlaf.« Mera sah zu Girdhan auf, der ebenfalls sehr müde aussah, und seufzte. »Du bist nicht weniger erschöpft als ich. Daher werde ich dich ablösen, so schnell ich es vermag.«
»Erhole dich erst einmal«, antwortete ihr Ehemann mit einem ebenso liebevollen wie besorgten Blick.
Mera lachte bitter auf. »Solange der Thron sich so bockig zeigt, müssen wir jeden Augenblick bereit sein, einzugreifen, denn Merani ist noch nicht in der Lage, ihn allein zu kontrollieren.«
»Das weiß ich doch! Aber sie hat ihre Sache ausgezeichnet gemacht! Ohne ihr Eingreifen hätte der Sturm geradewegs auf Ilyndhir zugehalten und die gesamte Insel verwüstet.« Girdhan nickte seiner Tochter
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