Merode-Trilogie 1 - Teufelswerk: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
in meinem Kopf.“
„Wann hättest du jemals nicht gezweifelt außer an Gott, mein dickköpfiger Freund?“
6
Ein heißer, übel riechender Windhauch und ein feuchtes Etwas, das rau über sein Gesicht glitt, ließen Mathäus erwachen. Benommen schlug er die Augen auf.
„Hilfe!“ Augenblicklich saß er aufrecht und presste die Arme schützend gegen seine Brust.
„Hilfe!“, schrie er erneut, in der Absicht, auch seinen Freund zu wecken, der in seltsam gekrümmter Haltung neben ihm lag. Doch erst mit dem dritten Hilferuf erwachte Heinrich.
„Was gibt’s denn?“, murmelte er schlaftrunken und rieb sich die Augen. „Ach Chlodwig, verzieh dich, los!“
Die Dogge gehorchte winselnd.
„Verflucht“, keuchte Mathäus, der sich nur langsam von seinem Schrecken erholte.
Heinrich tastete nach seinem Kopf. „Wer hämmert da?“, stöhnte er.
Auch Mathäus verspürte jetzt leichten Kopfschmerz ob des übermäßigen Weingenusses, doch das war längst nicht so schlimm wie das Entsetzen, das er beim Anblick des Untieres empfunden hatte. „Und du bist sicher, dass der Köter harmlos ist?“, fragte er den Freund ängstlich. „Hat an mir rumgeschleckt, als sei ich mit Honig überzogen.“
„Dann mag er dich“, behauptete Heinrich gähnend.
„Wie tröstlich. Jedenfalls stinkt er aus dem Maul, als hätte er aus einer Jauchegrube getrunken.“
Die Sonne hatte ihren höchsten Punkt noch nicht erreicht. Helles Licht fiel durch die Luken des kleinen Hauses ins Innere, kitzelte den letzten Rest von Müdigkeit aus des Dorfherrn Kopf. Mathäus war froh, wenigstens die zweite Tageshälfte noch zur Verfügung zu haben. Aber ein kleines Frühstückwar Pflicht. Schon bald saß er wieder mit Heinrich speisend zu Tisch und nahm ihm das Versprechen ab, während seiner dienstlichen Abwesenheit auf keinen Fall das Weite zu suchen. Dann holte er aus einer Truhe ein sauberes Wams hervor und befahl dem Freund, es bis zu seiner Rückkehr anzuziehen. Bevor Mathäus sich aber auf den Weg machte, warf er noch einen Blick in den Stall. Er hatte die Befürchtung gehegt, Julius könnte dem Rappen seines Freundes wenig freundlich gesinnt sein. Doch die Pferde standen einträchtig nebeneinander und schnaubten dem Dorfherrn zur Begrüßung fröhlich zu. Beruhigt machte Mathäus kehrt und ging die Straße zum Unterdorf hinab. Eine traurige Pflicht erwartete ihn. Er musste mit dem Wolfsbauern und seiner Frau Katharina sprechen, den Eltern der ermordeten Anna.
Ganze Heere von Hühnern und sonstigem Federvieh bevölkerten die Straße, irgendwo grunzte eine entlaufene Sau. Ein zottiger Hund spazierte seelenruhig durch den parallel zur Straße verlaufenden Dorfbach und zog sich damit den Unmut einer Magd zu, die ein Stück abwärts Wäsche wusch. Schimpfend ergriff sie einen Pferdeapfel, den sie in ihrer Nähe fand, und schmiss ihn dem Köter an den Hals. Der Hund jaulte auf und suchte das Weite.
„Volltreffer, Hildchen!“, rief Mathäus der Magd zu. Er musste an den Streit denken, den dieser auf den ersten Blick so praktische Bachlauf bereits heraufbeschworen hatte. Denn wuschen die Frauen des Oberdorfes ihre Wäsche darin, so floss das Schmutzwasser naturgemäß bachabwärts, sehr zum Ärger der waschwilligen Unterdörflerinnen. Eines Tages wäre es fast zu einer Amazonenschlacht gekommen, doch Mathäus, den ein besorgter Bauer zu Hilfe gerufen hatte, konnte den Krieg der Weiber gerade noch abwenden. Ihm war es zuverdanken, dass es fortan festgelegte Waschtage für jede Seite des Dorfes gab. Zuwiderhandlungen waren zu seiner Verwunderung bislang nur selten gemeldet worden.
Außer der wehrhaften Magd sichtete Mathäus keinen weiteren Menschen auf der Straße des Unterdorfes. Als hätten sich wegen der Mittagshitze alle verkrochen. Eine seltsame Stimmung lag in der Luft, fand Mathäus, eine unheilvolle Ruhe, die auch Heerscharen von Hühnern durch ihr Gegacker nicht zu übertönen vermochten. Vielleicht hatte Moses, der Kaplan der Herren von Merode, ja doch Recht. Seit Jahren predigte der Mann Gottes den Jüngsten Tag herbei, nicht mehr lange würde es dauern, bis die Posaunen der Engel erklängen. Streit, Neid, Mord unter den Menschen und neuerdings auch die große Pest seien die Anzeichen für das letzte Gericht.
Der Dorfherr erreichte das Haus des Wolfsbauern, einen bescheidenen Bau aus lehmgefülltem Flechtwerk. Wohlhabendere Bauern errichteten ihre Behausungen inzwischen aus Fachwerk, doch zu ihnen konnte der Wolfsbauer sich nicht
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