Merode-Trilogie 1 - Teufelswerk: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
alten Zeiten ließen sich nur in der Erinnerung wiederbeleben. Heinrich fühlte sich verpflichtet, die düstere Stimmung, die er durch seine Rede entfacht hatte, zu beenden.
„Reden wir lieber von dir, alter Freund“, bestimmte er mit unerwartetem Frohsinn. „Was hat dich hierhin verschlagen? Hast du der Politik nun doch entsagt?“
„Eben nicht“, lachte der Dorfherr, „Politik wird auch hier gemacht, und zwar reichlich. Wenn du ein paar Hufe Land an eine Schar Bauern aus zwei verschiedenen Lagern verteilt hast, ohne dass dich jemand als Lump oder Gauner beschimpft, dann bist du der größte Politiker aller Zeiten.“
„Keine Sehnsucht mehr nach dem Soldatenleben? Nach Abenteuern und Heldentum?“
„Spotte du nur. Der Entschluss, die Waffen des Krieges gegen die eines Beamteten zu tauschen, war der beste meines Lebens. Wenn ich auch zugeben muss, dass mein Vater mich dazu gedrängt hat. Er wollte immer, dass aus mir eine Person mit hohem Ansehen wird, auf die er stolz sein kann.“
„Dann hat er nun seinen Willen. Du hast es geschafft.“
„Wie man’s nimmt. Ich bin der Dorfherr eines verträumten Nestes, das mit seiner Burg dem Markgrafen von Jülich als trübsinniges Bollwerk gegen die Limburger dient. Ich bin der Dorfherr eines Nestes, dessen Bauern zwei verschiedenen Herren dienen. Die wiederum können sich leiden wie Katz und Hund. Ich bin der Dorfherr eines Nestes, wo ein falsches Wort fatale Folgen haben kann. Ja, ich hab’s geschafft!“
Heinrich schmunzelte. „Warum bittest du nicht um deine Versetzung? Vielleicht hat der Markgraf dir die Bemerkung über seine Base ja längst verziehen.“
„Du hast mich falsch verstanden, Freund. Hier wird gestritten und geliebt, gehasst und versöhnt, geprügelt und gefeiert. Hier finde ich alles, was die Menschen interessant macht. Ich liebe es, hier zu sein. Zumal …“ Er grinste verlegen.
„Zumal du hier deine wirkliche Liebe gefunden hast, in Form eines weiblichen Wesens, nehme ich an.“
„Dein Scharfsinn hat nicht gelitten.“
„Erzähl mir von ihr.“
Mathäus atmete tief und beschloss, dem Freund die volle Wahrheit zu sagen. Und so berichtete er von Jutta, der Tochter eines Bauern aus dem Nachbarort Schlich, die er mehr liebte als sein Leben. Die er lieber heute als morgen zu seiner Frau nähme, wenn sie sich nur für ihn entscheiden könnte. Nein, es gab niemand anderen in ihrem Leben. Für sie gab es nur Mathäus, den einzigen Mann außer ihrem Vater, den sie je geküsst, je in ihren Armen gehalten hatte. Es gab für sie nur Mathäus – und Gott, den Allmächtigen. Jenen Allmächtigen, von dem Heinrich sich verraten fühlte.
„Warum quält er die Menschen, Mätthes? Warum quält er dich und Jutta?“
„Eines Tages wird er Jutta erleuchten. Dann wird sie wissen, welcher Weg ihr bestimmt ist.“
„Dann hoffe ich, dass dein göttlicher Nebenbuhler die Menschen mehr liebt als sich selbst und deiner Angebeteten eine wahrhaft weise Erleuchtung einhaucht.“
„Ach, Hein …“
„Schon gut, ich weiß:
die unerforschlichen Wege
! Wir sollten nicht weiter über Gott sprechen. Außerdem ist es nicht meine Absicht, Zweifel in dir zu säen, was mir ohnehin nicht gelingen würde. Ich kenne ja deinen Dickkopf!“
Beide lachten. Mathäus schenkte Wein nach. „Trinken wir lieber auf unser Wiedersehen“, frohlockte er, und sie prosteten sich zu.
Die Stunden der Nacht flogen vorüber. Der Wein hatte die Schatten der Melancholie über den beiden Freundenlängst verdrängt. Draußen dämmerte bald der Morgen. Hähne krähten.
„Wie lange wirst du bleiben, Freund?“, fragte der Dorfherr.
„Wenn du erlaubst, werde ich ein paar Stunden bei dir ausschlafen, bevor ich weiterreite.“
„Du willst schon weiter? Kommt nicht in Frage.“
„Das Schicksal treibt mich, mein Blut will es so.“
„Scheiß aufs Schicksal und auf dein Blut. Du wirst ein paar Tage bei mir bleiben.“
„Mätthes, ich -“
„Keine Widerrede. Du bleibst. Eine einzige Nacht reicht nicht aus für zwei Freunde, die sich viele Jahre nicht gesehen haben. Außerdem wäre es möglich, dass ich deinen Scharfsinn bald in Anspruch nehmen muss.“
Heinrich zupfte an seinem Bart. „Was könnte dir mein Scharfsinn hier nützen?“
„Du wirst es kaum glauben, aber selbst in einem Nest wie diesem gibt es Mord und Totschlag. Gestern hat man im Wald ein Mädchen gefunden, geschändet und erwürgt! Es gibt einen vermeintlichen Täter und –“
„Und was?“
„Zweifel
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