Merode-Trilogie 1 - Teufelswerk: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
Hompesch Mathäus’ Sinn für Ordnung und Gerechtigkeit. Es war fast wie eine persönliche Beleidigung.
Friedrich, der Kastellan, empfing ihn aufgeregt. „Paulus hat Euch bereits gesucht, Mathäus.“
„Was gibt’s denn?“
„Ihr werdet’s nicht glauben, aber seine Männer haben schon wieder jemand festgenommen. Wieder ist’s ein Fremder.“
Mathäus blinzelte ungläubig. „Wirklich?“
„Soll er’s Euch doch selbst erzählen. Folgt mir!“
Friedrich führte ihn in den Jagdsaal des Ostflügels, den Konrad soeben verließ. „Oh, Dorfherr“, krähte er albern,„stellt Euch vor, der Fall ist gelöst. Und das einmal mehr ohne Eure Hilfe. Nichts für ungut, nehmt es nicht zu tragisch, Mathäus. Entschuldigt mich jetzt, ich muss gehen. Die Pflichten.“ Ein Liedchen summend verschwand er.
„Mathäus, gut, dass Ihr kommt!“ Rikalt erhob sich von seinem Stuhl und trat dem Dorfherrn entgegen.
Mathäus spähte durch den Saal. Paulus saß am Tisch, nippte gelangweilt an einem Becher und schenkte dem Ankömmling kaum Beachtung. Mit tristem Blick beäugte er ein vielleicht fünfjähriges Mädchen mit pechschwarzen, langen Haaren und großen Kulleraugen. Verstört kauerte es in einer Ecke des Saales auf dem Boden. Die Hautfarbe des Kindes war von auffallender Bräune.
„Wer ist das?“, wunderte sich Mathäus.
Paulus machte sich nicht die Mühe, ihn anzusehen. „Meine Männer haben den Mörder festgenommen. Vor der Dorfschenke. Er hatte diese Göre an der Hand.“
„Ist sie seine Tochter?“
„Schwerlich. Sie spricht ein fremdes Kauderwelsch.“
Mathäus setzte sich hin und blickte zu dem Mädchen hinüber. „Das Kind wird aber wohl kaum seine Mittäterin sein.“
Paulus grinste und nippte erneut an seinem Becher. Er genoss es, den Dorfherrn im Gefühl der Unwissenheit zu belassen.
„Natürlich ist dieses Mädchen keine Mörderin“, sagte Rikalt, „aber wie Herr Paulus schon sagte, es befand sich in der Begleitung des Kaufmannes.“
„Und nun ratet, wer dieser Kaufmann ist“, fügte Paulus hinzu. Endlich suchte er den Blick des Dorfherrn.
„Zum Teufel, woher soll ich das wissen? Aber ich bin sicher, Ihr werdet es mir gleich sagen!“
„Margarethes Mörder ist Hompeschs Bruder!“
„Wie bitte?“
„Kain hat einen Bruder - und der heißt auch Kain.“
Mathäus verdrehte ärgerlich die Augen. „Hättet Ihr die Güte, etwas konkreter zu werden?“
Rikalt legte eine Hand auf den Arm des Dorfherrn. „Stellt Euch vor, Herr Mathäus: Tobias Hompesch ist kein Tuch-, sondern ein Menschenhändler. Ebenso sein Bruder Walter, den Paulus’ Männer festnehmen konnten. Walter hatte dieses Mädchen bei sich. Es versteht unsere Sprache nicht.“
Paulus spreizte die Hände. „Die Sache ist offensichtlich“, stellte er fest, „beide Brüder trafen im Wald auf ihre Opfer und beschlossen, sie als Waren feilzubieten. Aber als die Mädchen sich wehrten …“ Er fuhr mit dem Zeigefinger über seinen Hals.
Mathäus runzelte die Stirn. „Menschenhändler?“
„In den Häfen Flanderns wimmelt es von solchen Kerlen“, behauptete Paulus, „denn dort floriert der Markt. Die beiden Brüder waren sicher auf dem Weg dorthin. Vermutlich hatten sie sich hier irgendwo treffen wollen. Dummerweise begingen sie dieselbe Untat und ließen sich dabei erwischen. Tja, Brüder eben. So leicht entwirren sich manche Rätsel.“
„Hat jener Walter die Tat gestanden?“
„Geht das schon wieder los“, sagte Paulus laut seufzend, „natürlich hat er nicht gestanden. Warum sollte er anders sein als sein Bruder? Als ob Mörder einen Vertag mit der Wahrheit hätten.“
Das kleine Mädchen begann leise zu wimmern. Rikalt ging zu ihr hinüber. Fürsorglich legte er einen Arm um ihre Schulter, redete beruhigend auf sie ein.
Paulus betrachtete seinen Weinbecher. „Was sollen wir mit der Kleinen machen?“
Mathäus schauderte bei dem Gedanken, dass der Burgvogt über das Schicksal des Mädchens entscheiden könnte. „Macht Euch ihretwegen keine Sorgen“, antwortete er rasch, „ich werde schon eine Lösung finden. Lasst sie einstweilen gut von den Mägden versorgen. Sie sieht ein wenig abgemagert aus.“
„Dann beeilt Euch gefälligst mit Eurer Lösung“, knurrte Paulus, „ich sehe nicht ein, warum hier fremde Bälger auf unsere Kosten durchgefüttert werden sollten.“
„Auf
meine
Kosten, Herr Paulus!“ Rikalt warf dem Burgvogt einen feindseligen Blick zu. „Auf
meine
Kosten“, wiederholte er,
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