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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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wissenschaftliche Temperatur. Wir…«
    »Berater? Was für Berater?«
    »Angesehene Leute, Dr. Kahn-Ryder.« Erneut die weit ausgebreiteten Hände. »Leute, die auf Ihrem Gebiet arbeiten. Ich muß Ihnen nicht sagen, wie umfangreich die auf das Syndrom bezogene Forschung heutzutage ist. Ihnen fehlt es nicht an gut informierten Kollegen.«
    »An Rivalen, meinen Sie…«
    »O jetzt kommen Sie aber, Dr. Kahn-Ryder…«
    Das war ein Fehler gewesen. Ich holte tief Atem und zählte innerlich bis zehn. Wie ich mit der Sache hier umging, war eine Katastrophe. Sie versuchten, mir die wissenschaftliche Freiheit zu nehmen, und ich hörte mich paranoid an.
    Ich nahm einen neuen Anlauf. »Tut mir leid, Chefsekretär Marton, aber innerhalb des breiten Forschungsspektrums beim MER-Syndrom ist mein Gebiet einzigartig. Es gibt keine angesehenen Leute, die darauf arbeiten. Und das ist nicht lediglich meine Eitelkeit – Sie wissen ebensogut wie ich, daß das stimmt.«
    Er wollte mich unterbrechen, aber ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Und, was noch mehr zählt, selbst wenn diese Leute tatsächlich darauf arbeiten, so glaube ich einfach nicht, daß irgendeiner davon – auf Grundlage der Daten, die Sie hier haben – es wagte, seine Meinung zur Hinlänglichkeit meiner Forschungen abzugeben. Das muß bis zum vollen Text des Artikels warten, dessen Veröffentlichung ich plane. Und die Verantwortung für diesen Artikel liegt bei mir, Chefsekretär. Das muß so sein. Nicht bei Ihnen, nicht bei der Ministerin, nicht bei der Abteilung – bei mir. Das muß so sein.« Ich war jetzt wieder verärgert aufgesprungen und beugte mich über seinen Schreibtisch. »Es muß so sein, weil es mein Ruf ist, der auf dem Spiel steht, Chefsekretär. Nicht Ihr Ruf, nicht der Ruf der Ministerin, nicht der Ruf der Abteilung – mein Ruf!«
    Er starrte zu mir auf, beobachtete mich aufmerksam. Jetzt, zum Winteranfang und um fünf Uhr nachmittags, war das vorhanglose Fenster hinter seinem Sessel ein glänzender, schwarzer Spiegel. Ich sah mich darin, wie ich mich vorbeugte, und ebenso sah mich Dr. Marton. Ich war zu heftig. Ich war zu schrill, mein Haar war zu kurz geschnitten, mein weißer Laborkittel war zu zerknittert – ich war direkt vom Institut über das Aufzeichnungsstudio hergekommen, hatte keine Zeit gehabt, mich umzuziehen –, und der Piepser an meinem Revers war zu pompös. An einem Dienstagnachmittag um fünf Uhr, und weitere zwei Stunden vor sich, die sein offizieller männlicher Arbeitstag noch dauerte, würde mich Chefsekretär Marton verabscheuen. Ich war die Neue Frau. Sehr bald, falls man die Ursache des Syndroms nicht entdeckte, würde ich die Erde beerben. Und bis dahin, so lange er lebte und atmete, täte Chefsekretär Marton alles in seiner Macht Stehende, mich zu demütigen.
    In der höflichen halben Minute, die er wartete, um sicherzugehen, daß ich fertig war, erkannte ich dies alles: wie nämlich wichtige Themen von Dingen wie Kleidung, Haaren, Heftigkeit und geschäftsführenden Assistenten abhängen. Ich erkannte es natürlich viel zu spät.
    Noch immer kann ich nicht gut mit Leuten umgehen, und zur damaligen Zeit war ich einfach schrecklich. Sechsunddreißig Jahre alt, und so wenig hatte ich gelernt. Mein Mann Mark hatte mit dem Auge des Journalisten Marton nach einem kurzen Treffen charakterisiert: ein kleiner Mann, und vielleicht nicht ganz vom richtigen Fach, war Dr. Marton ehrgeizig und intelligent genug gewesen, diese Handikaps nicht zu überkompensieren. Er bewegte sich gemessen, sprach leise und kleidete sich mit zurückhaltender Eleganz. Er hatte einen Bürosessel ausgewählt, über dessen Armlehnen er die kurzen Beine legen konnte, als ob sie lang wären, so daß er schmale, handgearbeitete Schuhe und einen kleinen Abschnitt seiner grauen Seidensocken zeigen konnte. Und während das vorzeitige Ergrauen des Haars möglicherweise natürlich war, zeigten die Iris seiner sehr braunen und glänzenden Augen die winzigen Narben einer kürzlich erfolgten chirurgischen Korrektur. Das Image zählte.
    Mark hatte in einem kurzen Augenblick erfaßt, daß Marton eine Macht darstellte. Er hatte sich und die Welt fest im Griff. Er war beeindruckend. Und gefährlich.
    Wie sonst jedoch hätte ich an jenem Tag in seinem nach Zedern duftenden Büro mit ihm verfahren sollen? Uns beide mit dümmlichen Kinkerlitzchen und albernem Gekicher beleidigen?
    »Die Schwierigkeit bei euch Wissenschaftlern ist«, sagte er gerade, »daß euch ein Sinn

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