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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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meiner Seite. Ich bräuchte noch nicht einmal ihre verfluchten Gelder – die großen Pharmakonzerne, Brandt, Unikhem, würden einander auf die Füße treten. Ich könnte mir aussuchen, wo und mit wem ich arbeiten wollte. Ich könnte in die Schweiz gehen. Dort bezahlten sie am besten.
    Draußen im Foyer fand ich ein Telefon. Ich wollte mit Mark sprechen, ihm von Marton berichten, aber als ich daheim anrief, war er nicht dort. Yvette hob ab. Sie war gerade mit der Zubereitung von Annas Abendessen beschäftigt. Mark war auch nicht bei den Science News – die Zentrale sagte, er sei unterwegs auf einem Job und könne nicht angebiept werden.
    Natürlich war er nicht dort. Er war draußen auf dem Land, recherchierte wegen seines Artikels über UV-Strahlung. Er hatte mir an diesem Morgen gesagt, wo er sich befände und daß wir nicht mit dem Abendessen auf ihn warten sollten.
    Ich legte den Kopf an die Innenseite der Telefonzelle. Mir schwirrten die Gedanken. Ich mußte mit jemandem reden, mich jemandem anvertrauen, auf den ich mich verlassen konnte. Jemand, der mir einen Rat geben könnte. Ich mußte meinen Ärger herauslassen, und jemand mußte mir sagen, daß ich recht hatte.
    Die Uhr im Foyer des Ministeriums sagte, daß ich bereits hoffnungslos hinter meinem Zeitplan herhinkte. Ich sollte mit dem Institut Kontakt aufnehmen und den Leuten sagen, sie sollten meine Computerzeit freigeben. Dort hingen stets welche in der Hoffnung auf eine Stornierung herum.
    Ich hatte einen Geistesblitz – ich würde meinen Bruder anrufen. Es war ein tapferer Gedanke: genaugenommen redeten wir nicht miteinander, genaugenommen redeten wir aber auch nicht nicht miteinander. Und er arbeitete beim Sicherheitsdienst, wäre also imstande, mir einen Rat zu geben. Er arbeitete bei einer privaten Firma, aber er konnte sich bestimmt gut vorstellen, welche Geschosse das Ministerium auf mich abfeuern konnte.
    Ich rief seine Nummer auf meinem elektronischen Notizbuch auf. Ich telefonierte nicht oft genug mit ihm, daß ich die Nummer auswendig wußte. Oft genug? Einmal, vielleicht, in den vergangenen vier Jahren… Auf jeden Fall war er dieser Tage außerhalb der Stadt stationiert, im Hauptquartier von NatSich draußen in South Forest, also war die Vorwahlnummer fast so lang wie die Anzahl der Kilometer zum Mond und wieder zurück. Ich las sie vom Display ab und steckte meine Karte wieder ein. Der Bildschirm in der Zelle war klein und zerkratzt, aber ich bezahlte die Zusatzgebühr. Ich fragte mich, wie es Danno ging. Vor vier Jahren war er auf dem besten Weg gewesen, fett zu werden.
    Wir standen einander nicht nahe. Na ja, wir standen einander nahe, aber das hatte niemand gewußt.
    Danno war nicht in seinem Büro. Sobald ich am Computer vorbei war, hielt mich die junge Frau bei NatSich auf. Vor Fingais Höhle und Seemöwen in der Totale vor einem unwahrscheinlich blauen Himmel fiel sie über Colonel Ryder her. Erneut dachte ich an die Reserviertheit zwischen Daniel und mir. Erneut kam ich zu dem Entschluß, daß der Grund für ihr Vorhandensein nicht bei mir lag. Außer daß ich vielleicht erwachsen geworden war. Ich war stets die Pfiffige gewesen, aber das hatte ihm merkwürdigerweise nie etwas ausgemacht. In den alten Tagen war er sogar stolz darauf gewesen. Was also war geschehen?
    »Harri? Ich bin den ganzen verfluchten Weg gelaufen, Harri.« Er sprang ins Bild. »Sag nichts. Jemand ist gestorben. Das ist’s. Wer also? Dein verfluchter Kanarienvogel, stimmt’s?«
    »Wir haben keinen Kanarienvogel«, erwiderte ich. »Annie hat eine Katze. Elvis. Wegen seiner Sünden.«
    »Wer also dann?« Er spähte in die Kamera: noch immer jener vierschrötige, einfache, argwöhnische Mann, noch immer faltenlos, jetzt, mit vierzig, etwas weniger verwirrt, aber noch immer derselbe Danno. »Irgend jemand muß gestorben sein. Ich schimpfe nicht umsonst auf Telefonanrufe.«
    Und dieselbe Bitterkeit. Aber nicht nur ich hatte ihn nicht angerufen – er hatte mich auch nicht angerufen.
    »Vielleicht will ich einfach bloß mit dir reden, Danno.«
    »Ich höre, Harri. Red weiter… wieviel?« Er griff nach der Brieftasche in seiner dunkelblauen Uniformjacke. »Ich bin immer verrückt nach einem hübschen Gesicht gewesen.«
    Scheißdreck! Ich brauchte seine Hilfe, aber nicht so sehr. Ich war ihn niemals um Geld angegangen. Vor dem heutigen Tag war ich ihn nie um etwas angegangen. »Schon gut, Kumpel. Laß schon gut sein!« Hinter ihm war ein kleines Büro zu sehen,

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