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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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seinen, bildeten
vertraute Worte. Johan warf einen Blick auf ihn hinab, öffnete
daraufhin die Tür und trat hinaus auf den schmalen Streifen
kopfsteingepflasterten Bürgersteig. Auspuffdämpfe des
Lastwagens trieben herein, gefangen zwischen den hohen
Holzhäusern. Ihre Seite der Straße lag im Schatten, aber
die Obergeschosse der rosafarben gestrichenen Häuser
gegenüber standen im vollen Sonnenlicht. Daniel sah hinaus, sah
Kopf und Schultern seines Vaters als dunkle Silhouette, unglaublich
groß und fern vor dem flachen, leuchtenden Rosa.
    Die Tür schloß sich, öffnete sich daraufhin
erneut, gerade weit genug für die linke Gesichtshälfte
seines Vaters. »Es braucht dir nicht leid zu tun«, sagte
Papa. »Entweder du tust etwas, oder du läßt es
bleiben. Bereue niemals!«
    Ein halbes Gesicht. Es war, als ob er nicht wirklich dort
wäre. Und als er losließ und die Tür weiter
aufschwang, war er nicht dort. Die Straße war leer, abgesehen
von sich entfernenden Schritten. Daniel warf die Tür zu, trat
ärgerlich dagegen. Er würde zu spät zur Schule kommen,
wenn jene Frau und Harri nicht in die Gänge kämen.
    Eine Minute später tauchten sie auf, gingen eilig an ihm
vorüber die Treppe hinauf, bis ganz nach oben, den
Geräuschen nach zu urteilen, und als sie wieder herabkamen,
hatte Harriet ihr Band. Bess öffnete die Tür, und alle drei
schickten sich an, die lange Straße hinunterzugehen.
    Harriet mochte das Nachbarhaus: es war so breit wie ein Zimmer,
und man sah durch die Netzvorhänge des vorderen Fensters und des
hinteren Fensters den Hafen. Und man sah die alte Mrs. Bolger, die
neunzig Jahre alt war und auf ihrem Sessel saß. Die Häuser
hier zu beiden Seiten der Straße standen Mauer an Mauer. Sie
hatten schwarze Schieferdächer, breite Traufen und flache
Holzfronten, hatten jedoch unterschiedliche Höhe,
unterschiedlichen Anstrich und unterschiedliche Größe.
Für einige hunderte Meter war die Straße eben, stieg dann
aber hinter dem Zeitungskiosk mit seiner zerfransten Reklametafel
steil an. SAMENSPENDERZENTREN: MINISTERIN LEGT VETO EIN! stand auf
der Tafel. Papa war den anderen Weg gegangen, hinab zum Town Quay. Er
wollte den Bus nehmen, der flußaufwärts zu den
Brandt-Laboratorien fuhr. Er sagte, daß er in diesem Monat
für dreißigtausend Austern verantwortlich sei und
dafür sorge, daß sie in Reih und Glied dastünden.
    Ein kurzes Stück den Hügel hinauf wandten sie sich nach
links in eine schmale Gasse zwischen zwei weißen
Schindelhäusern. Mama plauderte heiter dahin, aber Harri
hörte nicht zu. Sie brütete: ihr Reif war nicht aus Nylon
– Mama hatte keine –, sondern aus Samt, und sie war sich
unsicher, ob es Samt täte. Die Gasse wurde rasch zu einer Stiege
mit abgenutzten Stufen. Gras stand zu beiden Seiten, und ein eisernes
Geländer, von Händen poliert, hing an der Mauer. Sie
stiegen rasch, waren daran gewöhnt. Daniel trödelte
hinterdrein. Harriet sah sich nach ihm um. Sie wünschte, sie
könnte ihn glücklicher machen. Die Launen älterer
Brüder waren eine Katastrophe. Viele Mädchen hatten
ältere Brüder, und alle hatten sie Launen. Armer Danno. Sie
langte nach hinten, wollte seine Hand ergreifen, aber er benutzte sie
dazu, sich das Hemd in die Hose zu stecken.
    »Harri? Du hörst nicht zu, Kind. Was habe ich gerade
gesagt?«
    Mama stieg weiter. Harriet spähte zu ihr hinauf, auf ihre
bloßen, sonnengebräunten Beine, die wie Hebel unter ihrem
gelben Overall arbeiteten. Zerstreut stolperte sie über die
nächste Stufe, packte den Overall und rettete sich dadurch vor
dem Sturz.
    »Ich könnte mich ebensogut an die Vögel im Himmel
wenden. Weißt du das? Wenn du und dein Bruder mir soviel
Beachtung schenken, könnte ich ebensogut meine wahnsinnige
Ophelia geben. Und Daniel ist zehn. Da würde ich doch schon
erwarten, daß er eine gewisse Verantwortung
übernimmt.«
    Harriet war leichter zumute und suchte eilig Anschluß zu
halten. Gleich, wie sehr Mama auch nörgelte, daß sie Danno
mit eingeschlossen hatte, bedeutete, daß sie ihm
schließlich vergeben würde. Sie mochte es gar nicht, wenn
er zur Schule mußte und noch immer in Ungnade stand.
    Eiserne Sicherheitsgeländer kennzeichneten das obere Ende der
Stiege. Sie standen, einander überlappend, etwa einen halben
Meter auseinander, so daß man seitlich zwischen ihnen herging,
und unmittelbar dahinter lag eine weitere Straße. Auf der
School Lane wimmelte es jetzt von Fahrrädern und
Fiberglas-Karavans. Die Schule befand

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