Messertänzerin
gefunden hatte. Dass er und der Einbrecher beide die gleichen Metalldornen an den Stiefeln getragen hatten. Und dass er den Einbrecher von der falschen Seite des Hauses her verfolgt hatte.
Verzweifelt musterte sie Maitas Gesicht, aber sie konnte keine Lüge darin erkennen.
»Warum?«, fragte Divya totenbleich.
»Politik!«, erwiderte Maita mit einem Schnauben. »Der Fürst wollte schon lange Kontrolle über die Schulen haben, aber die hohen Bürger der Stadt hätten es nicht gutgeheißen, wenn er seine Männer einfach so in die Unterrichtsräume ihrer Töchter geschickt hätte. Auch in andere Schulen wurde eingebrochen, und das gab Warkan endlich einen Vorwand, uns eine Wache zu ›schenken‹. Nicht zu unserem Schutz, versteht sich. Sondern um die Schulleiter auszuspionieren, ob sie den Mädchen falsche politische Ansichten in den Kopf setzen. Oder ob sie sogar zu den Rebellen gehören.«
Divya hätte gern an ihren Worten gezweifelt, aber auf einmal fiel ihr die Nacht vor vier Jahren ein, in der sie Tajan mit einer anderen Person hinter dem Kamin gesehen hatte. War es vielleicht gar kein Mädchen gewesen? Hatte ihre Eifersucht sie geblendet? Heute fragte sie sich, warum ein Sujim das Wort einer Dienerin fürchten sollte, die ihm unterstellte, sich nachts mit einer Schülerin zu treffen. Sein Wort hätte schwerer gewogen und das der Schülerin sicher auch. Aber er hatte jeden Verdacht sofort im Keim ersticken wollen.
»Tajan?« Divya hörte ihre eigene Stimme, als wäre es eine fremde. »Ist ein Spion?«
Maita zuckte mit den Schultern. »Mach dir nichts draus, Mädchen. Dass er nichts taugt, sollte dir ja spätestens nach dieser Nacht klar sein. Ich habe da so etwas gehört … zufällig …« Sie lächelte anzüglich. »Er scheint von deinen Tassari-Wurzeln nicht sehr angetan zu sein, nicht wahr?«
Divya schob die Hände in die Taschen ihrer Vesséla und grub die Finger so fest in den Stoff, dass sie ihre Nägel in ihrer Haut spürte.
»Wie bist du selbst eigentlich darauf gekommen, wer du bist?«
Divya wollte nicht über die Lichter sprechen, deshalb murmelte sie das Wort »Dromedar«.
»Ah«, machte Maita nachdenklich. »Verstehe! Seluria hat mir damals versprochen, es zu verbrennen. Ich hätte es ahnen müssen … Nun, das ist lange her. Aber vergiss den Wächter. Er ist wirklich nichts wert. Ich habe mich über ihn erkundigt. Sein Vater hat für Warkan gearbeitet und war sein bester Mann, wie man sagt. Oberkommandierender der Wache. Schon sehr früh hat der Fürst Tajan in seine Dienste aufgenommen und wollte ihm den gleichen Platz einräumen wie seinem Vater. Dann starb der Vater, angeblich durch Tajans Schuld. Hast du dich nie gefragt, warum ein so großartiger Sujim sein Leben als Kindermädchen fristen muss?«
Divya kniff sich noch tiefer ins Fleisch. Nur durch den Schmerz im Bein konnte sie ihr Gesicht zwingen, keine Regung zu zeigen.
»Aber ich glaube, weitere Treffen zwischen euch sind wohl gar nicht mehr geplant, oder?«
Sie hat alles mit angesehen und gehört!
»Gut, gut. Er hat seinen Zweck ja erfüllt, denke ich«, lächelte Maita. »Die Frage ist, was machen wir weiter mit dir ?«
Divya wartete ab, unfähig zu antworten.
»Ein Wächter, der für Warkan arbeitet, weiß, dass du eine Tassari bist. Ich weiß nicht, wie viele Tage du hier noch sicher bist.«
Divyas Gedanken flogen durcheinander wie welkes Laub.
»Kann ich nicht …? Wäre es vielleicht möglich …?« Sie riss sich zusammen und sah Maita in die Augen. Wahrscheinlichwusste sie doch sowieso bereits alles, warum also zögern? »Jolissa hat einmal angedeutet, dass sie mich gern als Dienerin mit in die Ehe nehmen würde. Und da ihre Hochzeit sicher kurz bevorsteht …«
»Kürzer, als du ahnst«, nickte Maita langsam, und Divya schoss das Blut in den Kopf. War es wirklich so weit? »Aber mir scheint, dass sich das Mädchen ein bisschen verschätzt hat, was ihre Entscheidungsgewalt angeht. Der Mann, der bei mir um ihre Hand angehalten hat, ist ein Mann der blauen Kaste. Natürlich. Und er ist bekannt dafür, dass er Menschen mit dunklem Haar nicht gern um sich hat. In seinem Haus ein Mädchen, das aussieht wie eine Tassari – undenkbar.«
»Und wenn ich mir die Haare färbe?«
Divya spürte die Verzweiflung in sich aufsteigen. Aber Maita schüttelte den Kopf.
»Ich muss an meinen guten Ruf denken, gerade in diesen schweren Zeiten. Wenn jemals etwas herauskäme!«
»Aber ich habe doch Papiere, die beweisen …«
»…
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