Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Messertänzerin

Messertänzerin

Titel: Messertänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
Vom Netzwerk:
wissen, warum, denn ihre Frauen mag er eigentlich sehr gern.«
    Divya hob den Kopf.
    »Die Tassari … töten? Ein ganzes Volk? Das kann selbst er nicht – das würden die Bürger nicht zulassen.«
    Roc wandte den Blick ab. »Hier in der Stadt schert sich schon kaum jemand mehr um sie, draußen im Wilden Land sind sie richtig allein.«
    Divya schüttelte langsam den Kopf.
    »Ihr sucht nach einem Druckmittel gegen mich …«
    Roc schnaubte. »Bis zu deinem Auftritt ist nicht mehrviel Zeit, also überleg dir, ob du lieber dein Volk in den Tod schicken willst – oder Warkan.«
    Draußen ertönte leises Rufen, voller Ungeduld: »Kella!«
    Mit einer hastigen Bewegung öffnete Roc die Tür und schob Divya auf den Gang hinaus. Das war ihr Auftritt! Sie musste hinaus auf die Bühne, völlig unschlüssig, was sie tun sollte.
    Als sie durch den Vorhang trat, erschrak sie vor der Menge, vor den vielen Augen. Noch nie hatten so viele Menschen auf einmal sie angestarrt! Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihren Mittelpunkt, wie Tajan es sie gelehrt hatte. Dann schlüpfte sie in die Rolle der Tänzerin.
    Wie erwartet reagierten viele Zuschauer mit einem pikierten Aufschrei, und das Wort »schwarz« wurde durch die Reihen geraunt. Aber immerhin musste Divya nicht um Aufmerksamkeit buhlen wie manche ihrer Vorgänger.
    »Unglaublich!«, hörte sie die laute Stimme einer Frau.
    Mit gesenktem Kopf versuchte sie Jolissa zu beobachten, die sich tapfer bemühte, Interesse zu heucheln. Aber ihre Augen wirkten leer, als wäre etwas in ihr gestorben.
    Auf einmal stand der Fürst auf und sprach mit leiser Stimme in die Stille hinein, die sich sofort über den Saal legte.
    »Dies ist meine Hochzeit! Und nun lasst uns der Tänzerin zusehen. Ich habe sie eingeladen!«
    Divya wusste inzwischen, dass es Roc war, der die Liste der Gaukler zusammengestellt hatte, und sie fand, es machte Warkan irgendwie menschlicher und angreifbarer, dass er seine Gäste aus Stolz belog.
    Sie drückte ihr Kreuz durch, stellte ein Bein so auf, dass ihre Hüfte sich provozierend zur Seite neigte, und hob dieArme nach oben wie beim Tanz der Gräser. Wie eingefroren in dieser Haltung begann sie, die Halas gegeneinanderzuschlagen. Der Rhythmus der metallenen Fingeraufsätze, die Maita ihr geschenkt hatte, klang angriffslustig und gleichzeitig mitreißend. Mochte ihr das Ende ihres Tanzes auch noch nicht klar sein, der Anfang war gemacht.
    Eine herrische Geste brachte die Musiker zum Schweigen, die soeben einsetzen wollten. Nein, das hier war allein ihr Auftritt! Und sie begann sich zu bewegen, erst langsam, dann schneller und schneller. Für einen Moment war sie wieder auf ihrem Dach, das sie mit weiten Schritten in Besitz nahm. Als sie ein paar Bänder löste und sich zum ersten Mal drehte, spürte sie die Luft, die unter die Schleier der Vesséla drang und sie anhob. Die empörten Stimmen der Frauen und das amüsierte Raunen der Männer hörte sie allerdings nur noch wie aus weiter Ferne. Der Rhythmus, der Tanz, der Rausch trugen sie davon und wirbelten in ihrem Kopf weiter wie ein ewiger Disput: Warkan, der Mörder. Galgen. Selurias Leiche. Rache. Jolissas Augen. Rocs Betrug. Maitas Betrug. Die Tassari. Entschlossen bereitete Divya das fulminante Ende ihres Tanzes vor. Ihre Hand im Rücken ertastete Metall, ließ es in ihren Ärmel rutschen, während sie die Arme in die Höhe streckte.
    Ein Klatschen und eine laute Stimme drangen wie durch Watte an ihr Ohr. »Schluss!«
    Divya hatte Warkan gehört und gesehen, aber sie beachtete seinen Befehl nicht. Stattdessen visierte sie ihn inmitten ihrer schnellen Drehungen an. Er stand unglaublich günstig, mit stolzer Haltung vor der Menge. Er war das Ziel! Kein Mensch, der Mitleid verdient hatte. Nur ein Ziel.
    In diesem Moment, in dem Divya ihre Umgebung mitallen Sinnen erfasste, entdeckte sie Tajan. Am Rand der Bühne stand er! Im traditionellen Gewand einer fürstlichen Wache, mit einer goldenen Schnalle an seinem weiten Umhang, in der Hand eine Lanze. Aber es war nicht die Waffe, die Divya irritierte, sondern sein Blick. Innerhalb eines Herzschlags spürte sie, dass er wusste, wer sie war und wohin dieser Tanz führen musste. Er hatte ihre Bewegung, mit der sie das Messer gegriffen hatte, sicherlich gesehen. Seine Augen schienen sie anzuflehen.
    Ohne einen weiteren Herzschlag Zeit zu haben für irgendeine Überlegung, schleuderte sie ihr Messer nach vorn. Aber es traf nicht Warkan, sondern seine Stuhllehne.

Weitere Kostenlose Bücher