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Metro2033

Titel: Metro2033 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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aus einer gewissen Entfernung: »Auf dem Gebiet der Hanse ist Betteln strengstens verboten!«
    Endlich begriff Artjom. »Nur ein wenig ... Ich habe Kinder.«
    »Was für Kinder? Hast du jeden Anstand verloren?«, donnerte der unsichtbare Grenzer wütend. »Popow, Lomako, zu mir! Schafft mir dieses Stück Mist aus den Augen!«
    Weder Popow noch Lomako wollten sich an Artjom die Hände schmutzig machen, weshalb sie ihm nur ihre Gewehrläufe in den Rücken stießen. Von weiter hinten hörte er das ärgerliche Fluchen des Befehlshabenden. Für Artjom waren es Sphärenklänge ...
    Die Serpuchowskaja! Die Hanse lag hinter ihm!
    Endlich sah er auf, doch das, was er in den Augen der Umstehenden las, ließ ihn wieder zu Boden blicken. Er befand sich nicht mehr auf dem gepflegten Territorium der Hanse, sondern war wieder in das schmutzige, ärmliche Tollhaus hinabgetaucht, das in der gesamten restlichen Metro herrschte. Aber selbst für diese Welt war Artjom zu widerwärtig. Der wundersame Panzer, der ihn unterwegs geschützt, ja unsichtbar gemacht hatte, der die Menschen dazu gebracht hatte, sich von dem Flüchtenden abzuwenden und ihn nicht zu bemerken, ihn durch alle Posten und Wachen geschleust hatte, hatte sich nun wieder in eine übelriechende Kruste verwandelt.
    Nun, da der erste Triumph abgeklungen war, verschwand mit einem Mal jene fremde, gleichsam entlehnte Kraft, die ihn trotzig die ganze Strecke von der Pawelezkaja zur Dobryninskaja hatte laufen lassen. Nun war er wieder allein mit sich selbst, hungrig, todmüde, ohne jegliche Habe, unerträglich stinkend, noch immer versehrt von den Schlägen, die er eine Woche zuvor erlitten hatte.
    Auch die Bettler, neben denen er sich an die Wand setzte, da er sie nun nicht mehr zu scheuen brauchte, krochen fluchend von ihm weg. Er umfasste seine Schultern, um sich zu wärmen, schloss die Augen und saß lange so da, ohne an etwas zu denken, bis ihn der Schlaf überwältigte.
    Artjom ging durch einen endlosen Tunnel. Er war länger als all jene zusammengenommen, die er bisher durchquert hatte. Der Tunnel machte Schleifen, hob und senkte sich, nirgends konnte man weiter als zehn Schritte voraus sehen. Noch wollte er nicht innehalten, dabei fiel ihm das Gehen immer schwerer. Die blutig geschlagenen Füße taten ihm weh, der Rücken schmerzte, jeder neue Schritt kostete ihn Überwindung. Aber solange er noch Hoffnung hatte, dass das Ende ganz nah war, vielleicht sogar gleich hinter dieser Ecke, fand Artjom die Kraft weiterzugehen. Plötzlich kam ihm jedoch ein einfacher, aber furchtbarer Gedanke: Was, wenn dieser Tunnel keinen Ausgang hatte? Was, wenn Eingang und Ausgang ineinander übergingen, wenn jemand, unsichtbar und allmächtig, ihn in dieses Labyrinth gesetzt hatte wie eine zappelnde Ratte, damit er sich weiter schleppte, bis er keine Kraft mehr hatte und umfiel? Und dies ohne jeglichen Sinn und Zweck, einfach nur zur Unterhaltung? Eine Ratte im Labyrinth. Ein Hamster im Laufrad. Aber wenn, so dachte er weiter, die Fortsetzung des Weges nicht zum Ausgang führte, vielleicht lag der Schlüssel zur Freiheit dann darin, die sinnlose Bewegung zu beenden? Er setzte sich auf die Schwellen, aber nicht etwa aus Müdigkeit, sondern weil sein Weg am Ende war. Da verschwanden auf einmal die Wände ringsum, und er dachte: Um dein Ziel zu erreichen, um deine Reise zu vollenden, musst du aufhören zu gehen. Dann verschwamm dieser Gedanke wieder ...
    Er erwachte mit einer unerklärlichen Unruhe. Zunächst begriff er gar nicht, was vor sich ging. Erst nach und nach begann er sich an Teile seines Traums zu erinnern und aus diesen Splittern ein Mosaik zusammenzusetzen, doch hielten die Teile nicht zusammen, fielen immer wieder auseinander. Er hatte nicht die Kraft, um sie richtig zusammenzufügen - dafür fehlte ihm der sinngebende Gedanke, der ihm im Traum gekommen war, der Kern, das Herzstück jener Vision, das ihr erst ihre Bedeutung verlieh. Ohne diesen Gedanken war alles nur ein Haufen zerfetzter Leinwand - mit ihm ergab sich dagegen ein herrliches Bild, voll magischen Sinns, endlose Horizonte eröffnend. Artjom biss sich in die Faust, griff sich mit seinen verschmierten Händen an den ebenso verschmierten Kopf, seine Lippen flüsterten etwas Unzusammenhängendes, so dass die Vorbeigehenden ihn ängstlich und feindselig anstarrten. Doch der Gedanke wollte einfach nicht zurückkehren. Also versuchte er ihn langsam und vorsichtig aus seinen fragmentierten Erinnerungen zu rekonstruieren,

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