Mettwurst ist kein Smoothie
müssen wir die traditionelle Ehe bedrohen. Konservative Kritiker haben das ja blitzschnell festgestellt: Die Homo-Ehe bedroht die traditionelle Ehe, und das ist eine Scheißarbeit. Oft liege ich stundenlang in einem Gebüsch und warte darauf, dass ein traditionelles Ehepaar vorbeikommt. Dann rufe ich: «Hab ich euch!» oder «Wenn ich euch erwische!» oder sonst irgendwas Bedrohliches.
Kürzlich hat der Papst auch noch festgestellt, dass die Homo-Ehe die Zukunft der Menschheit bedroht, aber ganz ehrlich, das wird mir allmählich zu viel. Wann soll ich das denn noch machen? Ich muss schließlich auch noch die Jugend verderben und meine Sammel-Edition «Golden Girls» durchgucken.
Tja, das wär’s so im Groben. Sie sehen: Im Grunde sind wir doch gar nicht so unterschiedlich. Ob hetero, ob homo – im Grunde wollen wir doch alle dasselbe: lieben, geliebt werden und uns ab und zu quer durch einen Dark Room vögeln.
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Mitte 30 und noch nicht mal auferstanden
Als ich zehn Jahre alt war, fragte mich mein Vater, was ich mal werden will.
«Astronaut», antwortete ich wie aus der Pistole geschossen.
Mein Vater nickte bedächtig, überlegte kurz und sagte: «Okay, das wird aber nicht einfach. Und denk dran: Astronauten haben keinen Tarifvertrag. Ich könnte noch nicht mal mit Sicherheit sagen, ob du für den Weg von hier zur ISS eine Kilometerpauschale bekommst.»
Danach war das Thema erledigt, und ich bin meinem Vater noch heute dankbar. Hätte er damals schon von all den Motivationstrainern und Coaches gehört, die uns heute aus jedem Bücher- und Zeitschriftenregal ihren ungebremsten Optimismus entgegenblöken, hätte er vielleicht gesagt: «Ein toller Wunsch! Wenn du nur fest dran glaubst, kannst du’s schaffen!» Dann wäre ich heute immer noch kein Astronaut, hätte dazu aber auch noch ein schlechtes Gewissen, weil ich ja nicht fest genug daran geglaubt habe.
Motivationstrainer, das sind Menschen, die früher mit Vorwerkstaubsaugern von Tür zu Tür zogen oder in der Fußgängerzone mit einem Börner Qualitätshobel Karotten in Stifte schredderten. Da die Karrieremöglichkeiten dabei aber beschränkt sind, haben sie irgendwann ihr Equipment verkauft und sich einen etwas schickeren Anzug zugelegt; sie schreiben jetzt Bücher und beschallen ganze Stadien mit Weisheiten wie: «Glaub an dich! Du kannst alles schaffen, was du willst! Hauptsache, dein Schreibtisch ist aufgeräumt und der Bestellzettel ans Universum ausgefüllt!»
Ein
Mal möchte ich einen ehrlichen Motivationstrainer hören. Einen, der realistisch bleibt und ruft: «Du kannst alles schaffen … (dann, etwas leiser) was du schaffen kannst. Den Rest eher nicht.» Macht natürlich keiner von denen. Zum einen ist das ein etwas sperriger Slogan. Zum anderen ahnen die Jungs, dass sie dann sehr bald wieder Gemüsestifte aufs Kopfsteinpflaster sprenkeln würden.
Der Grundgedanke ist natürlich ehrenwert. Auch in meinem Leben gäbe es weiß Gott Verbesserungsmöglichkeiten. Ich bin jetzt Mitte dreißig – in meinem Alter war Hannibal schon über die Alpen gezogen! Mozart hatte rund zwanzig Opern geschrieben! Und Jesus, der alte Angeber, war sogar schon auferstanden. Ich dagegen bin noch nicht mal tot. Wie gesagt: Da ginge noch was. Aber man muss sich doch mal überlegen, von wem man sich Tipps geben lassen will und von wem nicht.
Beispiel: Heiner Lauterbach. Der machte sich letztes Jahr unter der Überschrift «Ja, ich schaffe das!» – Verzeihung, ich meinte natürlich: « JA, ICH SCHAFFE DAS ! » – auf dem Titelbild des
Focus
breit und starrte eisern auf einen See. Da stellte sich natürlich die Frage, was er denn eigentlich schaffen will. Den See zufrieren? Auftauen? Das Wasser teilen? Zuzutrauen wär’s ihm, denn ausgerechnet Heiner Lauterbach, der früher nie dafür bekannt war, sich selbst oder anderen den gemütlichen Kneipenabend zu vergällen, hat jetzt allen Lastern abgeschworen. Und sagt seitdem Sätze wie: «Sich im Bett umdrehen, dann den Fernseher anmachen, in der Nase bohren – das ist doch nichts.» Doch, Herr Lauterbach, das ist was! Das ist mein perfekter Sonntagmorgen!
Der
Focus
hatte aber noch mehr Menschen zu bieten, um mein verquastes Schluderleben aufzupeppen. Tim Raue zum Beispiel, den Berliner Sternekoch, der in jeder Talkshow, jeder Kochsendung, in Zeitschriften, Büchern und zur Not sicher auch ungefragt in der Fußgängerzone von seiner schlimmen Kindheit erzählt. «Man muss
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