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Mettwurst ist kein Smoothie

Mettwurst ist kein Smoothie

Titel: Mettwurst ist kein Smoothie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Barth
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warum nimmt er dann, während ich von unserem Urlaub erzähle, den Sportteil der Zeitung und fängt an zu lesen?»
    «Das kann ich erklären!», rief ich.
    «Ach ja?»
    «Ist doch klar: Den Politikteil hatte ja ich!»
     
    Das war vielleicht die härteste Lektion, die Stefan in unserer Beziehung lernen musste: Kommunikation spielt in meiner Familie eine sehr untergeordnete Rolle. Wir können ganze Tage damit verbringen, zufrieden, aber wortlos vor uns hin zu schauen. Wenn es fürs Nichtkommunizieren eine Meisterschaft gäbe, meine Familie würde jedes Jahr den Cup holen.
    (
Einsatz Gerd Rubenbauer:
) «Meine Damen und Herren, herzlich willkommen zur Deutschen Meisterschaft im Danebensitzen. Unser nächster Teilnehmer: Markus Barth. Wir sehen ihn hier eingebettet in eine Kaffeerunde aus 14  Personen. Alle schnattern, alle reden, aber Markus Barth, der bleibt eisern, der schaut lächelnd vor sich hin, piddelt am Kerzenwachs herum und sagt kein Wort. Denn das ist sein Motto: ‹Nur dabei statt mittendrin!› Das hat er von seinen Eltern. Unvergessen die Barth’sche Hochzeitsfeier von 1969 , auf der die beiden Ja-Worte die einzigen des Tages blieben …»
     
    Manchmal glaube ich, es liegt gar nicht an meiner Familie, sondern eher an dem Landstrich, aus dem wir kommen. Der Franke an sich spricht einfach nicht gerne. Und wenn er es doch tut und zum Beispiel Lothar Matthäus heißt, wünscht sich alle Welt, er würde es wieder lassen.
    Wer sich also in einem fränkischen Restaurant zu Einheimischen an den Tisch setzt, grüßt und dann auch noch um die Speisekarte bittet, muss schon damit rechnen, dass jemand die Augen verdreht und stöhnt: «Die Gosch’n geht in einer Tour!»
    Im Grunde reicht nämlich ein einziges Wort, um sich in Franken zu verständigen. Es ist das schöne Wörtchen «Hrmpf». Natürlich ist es eher ein Laut als ein Wort, er kommt aus einer bei Franken besonders ausgeprägten Ecke des Brustkorbes, man zieht dazu kurz die Schultern nach oben und lässt Luft durch die Lippen gleiten: «Hrmpf.» Das Schöne an «Hrmpf»: Man kann es bei jeder Gelegenheit von sich geben. Als Gruß, als Ersatz für die Frage: «Wie geht’s?» und auch als Antwort darauf. «Hrmpf» passt immer. Vorausgesetzt, man stört damit niemandem beim Danebensitzen.
     
    Meine Leidenschaft fürs Nonverbale hat Stefan anfangs vor allem deshalb so verwirrt, weil in seiner Familie traditionell sehr gerne gesprochen wird. Und am liebsten: gleichzeitig.
    Unser erster Besuch bei meiner Schwiegerfamilie lief folgendermaßen ab: Wir saßen am Kaffeetisch, Bruder, Schwester und Oma musterten mich und fragten dann simultan: «Wie geht’s dir?/Was macht der Hund?/Was arbeitest du?»
    Ich schaute ratlos von einem zum anderen, während Stefan mir im Hintergrund die Fragen noch einmal gestisch zu vermitteln suchte. Bevor ich aber etwas sagen konnte, setzten die drei schon wieder an: «Wo kommst du her?/Was ist das für ’ne Rasse?/Scheint bei euch daheim auch die Sonne?»
    Mir lief allmählich der Schweiß von der Stirn, und ich fing an, am Wachs der Tischkerze herumzupiddeln.
    Stefan wollte mir zu Hilfe kommen, aber als er zu sprechen anfing, taten sein Vater und seine Mutter natürlich dasselbe, und ich hörte nur einen Mix aus:
    «Jetzt lasst ihn doch mal!/Was hat er denn?/Der hat doch was!»
    Ich atmete tief durch, schaute von einem zum anderen, zog die Schultern hoch und sagte dann das Einzige, was mir in dem Moment einfiel:
    «Hrmpf.»
     
    Mittlerweile kriegen wir das übrigens etwas besser hin. Stefan hat seiner Familie nach unserem dritten Besuch einfach erzählt, dass ich aufgrund eines Tauchunfalls ein Hörgerät tragen muss und die Batterien «der totale Murks sind, fünf Minuten, dann kannste die wegschmeißen». Seitdem starren mir zwar immer alle auf die Ohren und sagen dabei: «Wo soll das sein?/Ich seh nix!/Kauf dir mal ein neues!», aber wenigstens kann ich ungestört vor mich hin schauen.
    Gleichzeitig hat Stefan es sich zur Aufgabe gemacht, die Schweigemauer meiner Familie zu durchbrechen. Und hat damit sogar Erfolg. Ich kann voller Überzeugung sagen, dass ich fast alles, was ich über meine Familie weiß, von Stefan gelernt habe. Nach der letzten größeren Familienfeier seufzte er auf der Rückfahrt tief und sagte dann zu mir: «Ich finde es toll, wie deine Tante Anna den Verlust ihres Mannes weggesteckt hat.»
    Ich schaute ihn mit großen Augen an. Stefan legte den Kopf schief: «Sag bloß, du wusstest nicht, dass ihr

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