Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
Vom Netzwerk:
zornig an, besann sich dann aber und fuhr fort: »Ich bin keine Hexe, sondern eine Frau, die Kranke heilt. Hätten nicht Gott und seine Heiligen mir die Gabe des Heilens verliehen, so wärest du und viele andere in dieser Elendszeit zugrunde gegangen.«
    Ich schämte mich meiner Undankbarkeit, brachte es aber doch nicht über mich, sie um Verzeihung zu bitten, denn ich wußte, daß sie wirklich die berüchtigte Hexe von Abo aus der Familie Pelzfuß war.
    »Wo sind die Jüten?« wollte ich wissen.
    Sie erzählte mir, die seien vor einigen Tagen abgesegelt und hätten Priester, Bürgermeister, Ratsherren und die reichsten Bürger der Stadt als Gefangene mitgeschleppt. Abo sei arm geworden, denn in den letzten Sommern hätten die Jüten die besten Schiffe der Bürger gekauft, und nun hätten sie selbst den Dom seiner kostbarsten Schätze beraubt. Länger als eine Woche hätte ich schwerverwundet und mit hohem Fieber in Jungfer Pirjos Hütte gelegen.
    »Wie bin ich hiergekommen?« fragte ich und starrte sie an. Und wie ich so hinstarrte, sah ich, wie sich ihr Haupt in den Kopf eines gutmütigen Pferdes verwandelte. Allein ich fürchtete mich nicht, weil ich wußte, daß Hexen sich verwandeln können. Der Hund trottete schweifwedelnd herbei, um mir die Hände zu lecken, und nun sah ich sie wieder als Jungfer Pirjo. Ich zweifelte nicht, daß sie eine Hexe war, aber ich vertraute ihr doch von ganzem Herzen.
    »Du hast ein Pferdegesicht«, meinte ich bescheiden. Darob war sie beleidigt; sie war nämlich so eitel wie jede andere Frau, wenngleich sie ihre mannbaren Jahre weit hinter sich hatte. Aber sie fuhr fort und erzählte mir, wie sie sich der Plünderer entledigt hatte, indem sie einen jütischen Schiffskapitän pflegte, der in seiner Gier nach Beute als erster von Bord gesprungen war und sich dabei den Knöchel verrenkt hatte. Am dritten Tage hatte einer der Jüten mich in ihre Hütte getragen und ihr drei Silbergroschen dafür bezahlt, daß sie mich wieder gesundpflegen sollte. Zweifellos verrichtete er diesen Akt der Barmherzigkeit zur Sühne für seine Sünden, denn die Plünderung des Domes hatte vielen ein schlechtes Gewissen bereitet. Aus ihrer Beschreibung entnahm ich, daß es derselbe Mann gewesen war, der meine Großeltern erschlagen hatte.
    Als Jungfer Pirjo mir erläutert hatte, wie ich in ihr Haus gekommen war, setzte sie hinzu: »Ich habe dir das Blut aus deinem Hemd gewaschen, und deine Hose hängt am Haken. Du kannst dich ankleiden und hingehen, wo du willst, denn ich habe mein Wort gehalten und an dir eine Kur vollbracht, die mehr wert ist als drei Silberstücke.«
    Dagegen war nichts zu sagen; so kleidete ich mich denn an und ging in den Garten hinaus. Jungfer Pirjo versperrte ihre Tür und machte sich auf den Weg, jene Kranken und Verwundeten zu besuchen, die nicht in das Kloster oder in das Hospital zum Heiligen Geist gebracht worden waren und, wenn es schon sterben hieß, lieber in ihren eigenen vier Wänden sterben wollten. Ich setzte mich auf die sonnenbeschienene Türschwelle, weil meine Beine von meiner Krankheit noch schwach waren, und starrte das dichte Sommergras und all die seltsamen Pflanzen im Kräutergarten an. Der Hund setzte sich neben mich, und da ich nicht wußte, wohin ich gehen sollte, legte ich ihm den Arm um den Hals und weinte bitterlich.
    Hier fand mich Jungfer Pirjo, als sie in der Dämmerstunde zurückkam, warf mir jedoch nur einen schrägen, mürrischen Blick zu und trat ins Haus. Gleich darauf brachte sie mir ein Stück Brot und sagte: »Deiner seligen Mutter Eltern sind schon in einem Massengrab mit anderen armen Leuten, die von den Jüten ermordet wurden, bestattet. In der ganzen Stadt herrscht ein heilloses Durcheinander, und niemand weiß, wo man beginnen soll, die. Ordnung wiederherzustellen; aber auf dem Dach eures Hauses kreischen die Dohlen.«
    Ich verstand nicht, was sie meinte, und sie erklärte es mir: »Du hast kein Daheim mehr, armer Kerl. Du kannst nicht erben, weil deine Mutter ledig war. Das Kloster hat Haus und Grund übernommen, nach dem mündlichen Vermächtnis, das Michael Michaelsson und sein Weib zum Heil ihrer Seelen hinterließen.«
    Auch darauf wußte ich nichts zu sagen, doch bald kam Jungfer Pirjo wieder zu mir und drückte mir drei Silbergroschen in die Hand.
    »Nimm dein Geld«, sprach sie. »Möge es mir beim Jüngsten Gericht als Verdienst angerechnet werden, daß ich aus Mitleid und ohne Gewinnsucht dich armen Burschen gesund gemacht habe,

Weitere Kostenlose Bücher