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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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ERSTES BUCH
MICHAEL BAST PELZFUSS
1
    Ich bin in einer fernen Gegend, welche die Geographen Finnland heißen, geboren und aufgewachsen; einem schönen, weiten Land, das den meisten Gebildeten noch unbekannt ist. Im Süden meinen die Leute, solch ein nördliches Land müsse unwirtlich und frostig sein und Menschen könnten dort nicht wohnen; nur Wilde hausten dort, in Raubtierfelle gehüllt und tief in Heidentum und Aberglauben befangen. Nichts törichter als das. Finnland kann sich sogar zweier großer Städte rühmen: im Osten erhebt sich das befestigte Viborg, und im Süden liegt Aboa oder Abo, wo ich geboren bin. Was Heidentum und Aberglauben anlangt, so bedenke man wohl, daß Finnland viele Jahrhunderte lang der einen wahren Kirche angehörte. In den heutigen schlimmen Zeiten mag man freilich sein Volk mit Recht abtrünnig schelten, da das Land unter der Zuchtrute des hartherzigen und räuberischen Königs Gustaf Luthers Lehre angenommen hat und bereits als ein verlorenes Schaf der Christenheit gilt. Ist es da ein Wunder, wenn das Volk wieder in Wildheit, Unwissenheit und Sünde verfiel? Freilich möchte ich die Schuld daran eher der schlechten Regierung als den Regierten zuschieben. Finnland ist keineswegs arm. Seine Wälder stecken voll Wild, und an den Ufern seiner mächtigen Ströme obliegt man allerorten mit Gewinn der Lachsfischerei. Die Bürger von Abo treiben Handel mit überseeischen Ländern, und an der bottnischen Küste versteht man gar wohl die Kunst, hochseetüchtige Schiffe zu bauen, und übt sie auch. Bauholz wächst in Fülle, getrocknete Fische, Felle und kunstvoll geformte Holzschüsseln werden von Abo aus in fremde Länder verschifft; außerdem schmilzt man auch Roheisen aus dem Erz des Binnenseengebietes. Der Handel mit Dörrfischen und Pökelheringen bildet eine so reiche Einnahmequelle, daß das Land sich eine Irrlehre, die keine Fasttage kennt, nicht auf die Dauer leisten kann, denn deren strenge Einhaltung, wie die katholische Kirche sie angeordnet hat, ist für den Wohlstand so manches frommen Bürgers unerläßlich.
    Soviel über mein Heimatland; daraus mag man ersehen, daß ich ganz und gar kein Heide bin.
    In einer Spätsommernacht – ich mochte damals sechs oder sieben Jahre zählen – kam der jütische Admiral Otto Ruud flußaufwärts gerudert, vorbei an den schlafenden Wachen in der Festung Abo, und nahm im Morgengrauen die Stadt im Handstreich. Und dieweil sich diese gräßliche Plünderung Abos im Jahre 1509 zutrug, fünf Jahre vor der Heiligsprechung St. Hemmings, muß ich das Licht der Welt im Jahre 1502 oder 1503 erblickt haben.
2
    Ich weiß noch, wie ich zwischen weichen leinenen Bettlaken erwachte. Man hatte eine Pelzdecke über mich gebreitet, und ein großer Hund leckte mir das Gesicht. Als ich seine Schnauze wegstieß, gefiel ihm das;, er nahm meine Hand sachte zwischen die Zähne und wollte mit mir spielen. Viel später trat eine dürre, graugekleidete Frau an mein Bett; sie musterte mich mit kalten, grauen Augen und setzte mir Fleischbrühe vor. Da ich mir einbildete, ich hätte das Tor des Todes durchschritten, war ich überrascht, daß sie keine Flügel hatte, und fragte schüchtern: »Bin ich im Himmel?«
    Die Frau befühlte mir Hände, Hals und Stirn, und ihre Hand war so hart wie ein Brett. Sie fragte: »Tut dir der Kopf noch weh?«
    Ich griff mir an den Kopf und fühlte, daß er verbunden war; dann schüttelte ich ihn als Antwort auf ihre Frage, wobei ich jedoch einen stechenden Schmerz im Nacken verspürte.
    »Wie heißt du?« fragte die Frau.
    »Michael«, antwortete ich. Das wußte ich gar wohl, war ich doch nach dem heiligen Erzengel getauft worden.
    »Wessen Kind bist du?«
    Darauf wußte ich nicht gleich zu antworten, schließlich aber sagte ich: »Michael, der Sohn des Blechschmieds. Bin ich wirklich im Himmel?«
    »Iß deine Fleischbrühe«, versetzte sie kurz. »Ich sehe schon, du bist der Junge von Michaels Tochter Gertrude …«
    Sie saß auf dem Bettrand und streichelte mir sachte die schmerzhafte Stelle im Nacken.
    »Ich bin Pirjo Matsdotter aus der Karvajalka-(Pelzfuß-)Familie. Du bist in meinem Haus, und ich habe dich seit vielen Tagen gepflegt.«
    Da fielen mir die Jüten wieder ein und alles, was geschehen war; und ihr Name jagte mir solchen Schrecken ein, daß mir der Appetit auf die Fleischbrühe verging.
    »Bist du eine Hexe?« fragte ich sie. Sie fuhr auf und schlug ein Kreuz.
    »Das also sagen sie hinter meinem Rücken?« herrschte sie mich

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