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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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wir Wein getrunken oder den Heiligen Geist empfangen. Unsere Wangen glühten, unsere Augen leuchteten, und plötzlich nahmen wir den Duft geweihten Balsams wahr. Er wurde besonders stark, als wir seinen braunen Schädel in der Hand hielten, in dessen Kieferknochen noch ein paar gebrochene Zähne steckten. Wir reichten die Gebeine eins nach dem anderen Bischof Arvid und den Würdenträgern seines Gefolges hinauf, damit sie sie mit Öl salbten und in einen neuen Sarg legten. Schließlich bedeutete uns aber der hochwürdigste Bischof laut und bestimmt, es sei nun genug der Gebeine. So wird es mir wohl nicht als Sünde angerechnet werden, daß ich verstohlen einen Rückenwirbel und einen Zahn in meine Tasche gleiten ließ.
    Vor der feierlichen Wiederbestattung hatten wir Kleriker die schwierige Aufgabe, lebende Tauben und Buchfinken für die Festlichkeiten zu fangen. Hätten wir schon im vorigen Winter von der Sache gewußt, so hätten wir Seidenschwänze und Dompfaffen in Schlingen fangen können, was meines Erachtens mehr zur Verschönerung des Festes beigetragen hätte. Allein im Sommer war es unmöglich, ihrer habhaft zu werden.
    Der Dom war übersät mit Girlanden, Kränzen, Wappen und Bildern aus dem Leben des Heiligen, die auf Leinwand gemalt waren und von hinten beleuchtet wurden. Tausende von Wachskerzen und mindestens hundert Lampen tauchten das Innere des Domes in strahlende Helligkeit. Aufs neue wurden die Fliesen gehoben, die heiligen Gebeine wurden in kostbare Stoffe gehüllt und in einen stattlichen, vergoldeten Schrein gelegt. Während die Reliquien in Prozession durch die kniende Gemeinde im Dom herumgetragen wurden, fingen wir Knaben an-, durch eine Luke im Dachgewölbe brennende Wergbüschel, die Schießpulver enthielten, hinabzuwerfen, so daß die Menschen vor Staunen und Furcht laut aufschrien, weil sie sie für Blitze hielten. Ich habe mich später oft gewundert, daß wir nicht den ganzen Bau in Brand setzten, denn der Dachstuhl war staubig und trocken wie Zunder, und um unsere Köpfe flatterten und kreischten unaufhörlich die Dohlen.
    Hierauf ließen wir die Tauben und Buchfinken nacheinander fliegen, so daß sie unter dem Dach kreisten, und streuten Blumen und Hostien auf die Gläubigen hinab, um ihre Freigebigkeit anzuspornen. -Der Dom erntete denn auch an ihren Spenden ein Vielfaches der Kosten des Festes, und man kann sagen, daß St. Hemmnigs für seine Neubestattung großzügig aufkam. Allein man war beiderseits zufrieden, und Jungfer Pirjo gestand freimütig, es sei ihr für ihr Geld Schönheit und Erbauung in reichem Maße zuteil geworden. Ein Greis, der den Schrein geküßt hatte, warf seine Krücken weg und begann auf gesunden Gliedern umherzulaufen; und eine Stumme, die seit Jahren im Hospital zum Heiligen Geist gelebt hatte, erlangte die Sprache wieder – wenngleich viele darin eher ein Unglück denn einen Segen erblickten, weil sie sich als ein absonderlich böses Maul erwies.
    Dieser Bericht soll zeigen, daß meine Schulzeit keineswegs nur im Zeichen der Angst und Bedrängnis stand, sondern auch einige erhebende geistige Erlebnisse mit sich brachte.
6
    Dank meines zarten Alters und Jungfer Pirjos Güte brauchte ich nicht gleich anderen während der Vakanz als fahrender Scholar von einer Pfarrei zur anderen zu ziehen, um mir Brot und Schulgeld zu erbetteln. Jungfer Pirjo sorgte für Nahrung und Kleidung, Obdach, Feuer und Licht und kaufte mir sogar ein Buch; so war ich der erste Student der Dialektik, der eines besaß. Mit ihrer Erlaubnis schrieb ich auf die Titelseite den Namen MICHAEL BAST: KARVAJALKA, und das Datum A. D. MDXV. Darunter setzte ich eine gewaltige lateinische Verwünschung gegen jeden, der mein Buch etwa stehlen oder ohne Erlaubnis verkaufen würde. Jungfer Pirjo hatte es billig erstanden, und die Namen auf dem Einband wie auch die zerlesenen Seiten verrieten, daß es durch viele Hände gegangen war. Und dennoch war es jahrelang mein teuerster Schatz. Es hieß Ars Moriendi, etc. ,mit anderen Worten: Die Kunst zu sterben. Daraus mag jedermann ersehen, was für ein Buch es war, denn es wird immer noch gelesen und wird gewiß immerdar ein wertvoller Führer zum Tode und zum Leben im Jenseits sein.
    Warum aber Jungfer Pirjo so gütig für mich sorgte und meinetwegen solchen Aufwand trieb, konnte ich nicht verstehen – oder besser gesagt, ich zerbrach mir kein einziges Mal den Kopf darüber und nahm es so natürlich hin wie sie. Mag sein, daß sie um ihrer Sippe und

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