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Milchblume

Milchblume

Titel: Milchblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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Sonnenstrahlen. Sofort bin ich aufgesprungen und nackt auf mein Bad zugegangen. Bewegungslos stand ich davor und habe versucht, mir die Wärme der Strahlen auf meinem Körper vorzustellen, habe das verlöschende Licht der Sterne beobachtet, und dann habe ich es getan. Dann habe ich mich in die über und über mit Tau benetzten Pflanzen und Gräser geworfen. In dem Augenblick, in dem mein Körper den nassen Boden berührt hat, habe ich geglaubt, er zieht mich tief hinunter in sein Innerstes. Es war wie ein Beben, wie zwischen Leben und Tod. Ich habe versucht, meinen Atem zu kontrollieren, und je mehr mir das gelungen ist, desto herrlicher ist mein Bad geworden. Ich habe mich vollkommen gefühlt, unendlich stark und rein wie der Tau selbst. Als ich aufgestanden bin, war mein Körper über und über mit Blättern, Blumen und Kräutern bedeckt. Aufrecht bin ich der Sonne entgegen gegangen, und erst als die Vögel mir Signal gegeben haben, bin ich umgekehrt. Mein Körper hat gebebt vor Energie. Es war, wie es mir meine Großmutter angekündigt hatte: Der Tau, das Blut der Pflanzen, hat mich erneuert, von Grund auf.
    Beim Weg zurück zum Lagerplatz habe ich mein Gewand in der Hand getragen, bin nackt und bloßfüßig durch den Wald gewandert. Erst als ich geglaubt habe, dass ich in der Nähe vom Lagerplatz bin, habe ich wieder Hose und Hemd angezogen. Sie sind mir vorgekommen wie Fremdkörper. Dann sind die Restlinge aufgetaucht, aber von der hölzernen Behausung war keine Spur und auch nicht vom Feuerplatz. Kurz habe ich geglaubt, dass ich mich verlaufen habe, aber da ist schon meine Großmutter vor mir gestanden. Ich weiß nicht wieso, aber wir haben kein Wort miteinander geredet. Wir haben das nicht vereinbart, irgendwie war unsere Stille selbstverständlich. Zur Begrüßung haben wir uns nur zugenickt.
    Als ich dicht vor ihr gestanden bin, hat sie ein Lederband aus ihrem zerschlissenen Umhang gezogen, mit einer Bärenkralle daran. Sie muss von dem alten Bären gewesen sein, auf dem ich als Kind geritten bin. Wortlos hat sie mir das Band um den Hals gehängt. Dann hat sie mich fest bei den Schultern genommen, mir energisch in die Augen geschaut und auch mich tief in sie schauen lassen, so, dass ich ihre Liebe habe sehen können. Gleich darauf hat sie ihren Blick wieder verriegelt, mich noch einmal gedrückt, so fest, als wäre sie nicht meine kleine, faltige Großmutter, sondern ein kraftstrotzender Riese, und dann hat sie mir resolut den Rücken zugedreht und sich neben einen Restling gehockt.
    Ich habe zu ihr gehen wollen und sie auf die Wange küssen, habe ihr danken wollen und ihr sagen, dass ich nur nach Silvia schauen wolle, um danach rasch wieder zu kommen. Wenn alles gut gehe, habe ich ihr sagen wollen, würde ich sogar gemeinsam mit meiner Milchblume kommen, ja, mit meinem Mädchen, damit sie einander kennenlernten. Das alles habe ich ihr sagen wollen. Aber ich habe rechtzeitig gemerkt, dass das nicht nötig war. Ich habe mich umgedreht und bin davongegangen. Richtung Südosten, Richtung Legg. Während der ersten Schritte hat meine rechte Hand die Bärenkralle umfasst. Sie hing am Lederband über meinem Herzen.

18.
    E twa eine Stunde mochte Jakob unterwegs gewesen sein, durch den Eigenwald, Richtung Legg, da ging ein Gewitterschauer nieder. Jakob breitete die Arme aus, streckte sie weit von sich, legte den Kopf in den Nacken und schmeckte die Tropfen, die auf ihn niedergingen. Das Gewitter hielt nicht lange an, rasch hatte es seine Kraft entladen, und die Sonne schob sich zwischen die Wolken. Die Luft war gereinigt vom kühlen Nass. Regentropfen glitzerten auf Zweigen, der Wald dampfte, frisch und klar.
    Als Jakob die Lichtung des Waldes erreicht hatte, bemerkte er, dass er das Lederband mit der Bärenkralle nicht mehr um den Hals trug. Er wunderte sich, wie wenig ihn das kümmerte.
    Als er sich dem Dorf näherte, verspürte er keine Angst, auch nicht vor dem Seifritz-Bauern, der zuletzt auf ihn geschossen hatte. Alles in Jakobs Geist drehte sich um Silvia. Wie wird es ihr gehen, fragte er sich. Wird sie noch Freude haben in sich, nach all dem, was ihr angetan worden ist? Oder ist alles erdrückt worden in ihr? Ihr Lachen, die Grübchen in ihren Wangen. Und, am wichtigsten: das Leuchten ihrer Augen. Besonders daran, wusste Jakob, würde er erkennen, wie es um Silvia stand, ganz gleich, was sie ihm vormachen würde, auch wenn sie schwindeln würde, zu seiner Beruhigung. Ja, auf dieses Leuchten kam es an.
    In

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