Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition)
verschwunden. Zurück blieben nur noch Selin und der Kartenspieler an dem zugefrorenen Fluss.
Der Kartenspieler richtete sich erschöpft auf.
„Dein Kampf ist vorbei“, sagte Selin.
„Ich habe längst vergessen, wann er angefangen hat“, erwiderte der Kartenspieler und sah zur aufgehenden Sonne.
Die Eisschicht neben ihm brach auf. Ein Schatten zischte wie eine Rakete aus dem Wasser. Eissplitter flogen durch die Luft, als sich der Schatten vor die Sonne schob.
Der Kartenspieler ließ geschlagen seine Messer fallen und breitete erwartend die Arme aus. „Der Kampf ist vorbei“, wiederholte er.
Es war der stolze Kaiserpinguin, der wie ein Dartpfeil auf den Kartenspieler stürzte. Von der Wucht des Sturzes getroffen, wurde der Kartenspieler auf die zerrissene Eisschicht geworfen. Als der Boden unter ihm zerfiel, wurde er in das eiskalte Wasser gezogen. Das Wasser kämpfte sich seinen Weg durch seinen Mantelärmel und schmiegte sich an den vernarbten Körper.
Durch die Öffnung, in die er eingekracht war, schien nur ein kläglicher Sonnenstrahl bläulich in das dunkle Wasser. Die Eisschicht über ihm schirmte ihn ansonsten von jeglicher Lichtquelle ab. In dem armseligen Licht erkannte er erneut den Schatten, der um ihn kreiste. Wie ein Hai umkreiste Willi den Kartenspieler, der wehrlos in die Tiefe gezogen wurde. Die Luftblasen stiegen hinauf und zerschellten an der Eisschicht mit einem Echo, das durch das Eiswasser hallte.
Es war der Startschuss für Willis Angriff. Unterwasser konnte er wieder seine wahren Fähigkeiten offenbaren und das Monster in ihm von der Leine lassen. Er schoss in Richtung des Kartenspielers, bohrte seinen Schnabel erneut in den Bauch des Kartenspielers. Wut entbrannt pickte er in die Stellen neben der blutenden Bauchwunde. Mit seinen Krallen trat er wild um sich, verfing sich in der Haut des Kartenspielers und zog ihm die Haut in Streifen von seinem Körper und Gesicht. Willi ließ von ihm ab, schwamm um ihn herum und schlug erneut zu. Erst als das Wasser erfüllt vom Blut des Kartenspielers war, stellte er seine Angriffe ein.
Der Kartenspieler erkannte die Blutschwaden im Wasser als wunderschöne, rote Blütenblätter. Es erinnerte ihn an den Rosenstrauß, den er einst ins Wasser warf. Die Blüten waren endlich vom Frost befreit und erstrahlten wieder in ihren natürlichen Farben.
An der Oberfläche angekommen stieg Willi wieder auf die Eisschicht. Er öffnete seine „SEI STARCK“-Bauchtasche, nahm Zündhölzer hervor und steckte sich seine Zigarre an. Als er auf Zacks Leiche sah, verflog den Zorn in Willi und die Trauer übermannte ihn. Die Gewissheit, einen guten Freund für immer verloren zu haben, kehrte ein.
Willi sah dem Rauch hinterher, der seinem Schnabel entstieg und in der Luft verflog. Ähnlich wie Zacks Leben innerhalb eines unglückliches Moments beendet war, verteilte sich der Rauch in der Luft, bis er für Willi nicht mehr sichtbar war. Er war noch da, aber nicht mehr für ihn sichtbar.
Willis Schweigeminute wurde unterbrochen, als das ruhige Gewässer hektische Wellen gegen die Eisschicht schlug. Eine blutige Hand kam aus dem Wasser und krallte sich an der Eisfläche fest. Der Kartenspieler war nicht totzukriegen. Der Körper, der mehr blutige Knochen als Fleisch war, der mehr tot als lebendig war, zog sich zitternd aus dem Wasser. Bis zur Brust hatte er sich aus dem Wasser gezogen, ehe ihn die Kraft verließ.
Willi wollte vor ihn treten, doch plötzlich stoppte er. Der Kartenspieler hatte sich Zacks Revolver geschnappt. Den Revolver, mit einer finalen Kugel in der Trommel, hielt der Kartenspieler in seiner blutigen Hand.
Vorsichtig ging Willi rückwärts, als er sah, wie der Kartenspieler den Revolver ansetzte.
Mit letzten Kräften sprach der Kartenspieler seine finalen Wörter. Er keuchte sie mit einer Ladung Blut hinaus. Er sah Willi in die Augen und sagte langsam: „Die Monster in uns... können nur wir selbst bezwingen.“
Danach packte er den Revolver und drückte ihn an seine blutige Schläfe. Er drückte ab.
5
Frederick füllte den Deckel seiner „KÄLTESTARCK“-Thermoskanne mit Hühnersuppe. Er stellte sich neben Lüc und hielt ihr die frisch ausgeschenkte Hühnersuppe hin.
Lüc sah geistesabwesend zum Horizont und kaute nervös an ihren Fingernägel. Als ihr der Geruch der Hühnersuppe in die Nase stieg, bemerkte sie erst Frederick.
„Nein danke“, sagte Lüc.
„Probier doch mal“, forderte Frederick auf.
Lüc schnaufte
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