019 - Der Clan der Rebellen
Der Gronmei war spindeldürr, wie es seiner Rasse entsprach. Sein hageres Gesicht war im wahrsten Sinne des Wortes unmenschlich. Die kalten Augen glitzerten wie Gletscherseen. Der Befehl, den er bekommen hatte, war eindeutig: »Betäuben!« Und er würde diesen Befehl ausführen – egal, welche Folgen dies für die sieben Menschen haben würde: Er drückte auf den entsprechenden Knopf und beobachtete, was weiter auf den Bildschirmen geschah.
Die sieben unbekannten Menschen, die unerwartet im Star Gate-Bahnhof hier auf TUSTRA aufgetaucht waren, befanden sich in einer Halle. Früher diente sie als Werkstätte für Gleiter. Heute war sie das Hauptquartier des Clans der Rebellen auf TUSTRA. Drei Ba-to-neh hatten die sieben Menschen vom Bahnhof her gebracht, unter Einsatz ihres Lebens. Hier waren sie von bewaffneten Gronmei empfangen worden. Doch das hatte nichts genutzt: Jetzt waren diese Menschen doch Herr der Lage geworden – gemeinsam mit den Ba-to-neh, die sich von ihren Auftraggebern verraten fühlten.
Und auch die Sann-Gronmei, eigentlich nur niedriges Hilfsvolk, hatten sich auf die Seite der Menschen geschlagen. Dabei wussten diese Menschen überhaupt nicht, wo sie sich hier befanden: Ganz offensichtlich hatte sie der Zufall her verschlagen.
Das Gas strömte aus zahlreichen Düsen und verbreitete sich rasch in der Halle. Auch im Kommandostand, von wo aus früher die Gleiter nach erfolgter Reparatur einem Härtetest unterzogen worden waren, entstand eine Gaswolke. Wer sich dort aufhielt, würde nicht verschont werden.
Der Gronmei hatte mit seinen Artgenossen in der Halle kein Mitleid. Das Gas würde bei ihnen nur Kopfschmerzen hinterlassen – nach dem Wiedererwachen. Das war zu verkraften. Aber vielleicht reagierte der Metabolismus der Menschen mit – Tod?
Es war dem Gronmei in der Schaltzentrale egal. Er führte nur einen Befehl aus, für den er weder Verantwortung, noch Garantie übernahm. Er war Werkzeug eines anderen und dieser andere starrte von einem der Bildschirme auf ihn. Er hatte genau dieselben Szenen vor Augen wie der Ausführende. Aber er hatte keine Möglichkeit, persönlich einzugreifen. Dazu war er zu weit weg.
Die Menschen, Gronmei, Ba-to-neh und Sann-Gronmei rangen bereits mit der drohenden Bewusstlosigkeit. Einer der Menschen befand sich in dem Gleiter, mit dem sie angekommen waren: Er nahm fälschlich an, das bereits angedrohte Betäubungsgas könnte nur dort entströmen.
Wäre der Gronmei in der Schaltzentrale ein Mensch gewesen, hätte er jetzt gewiss verächtlich gelächelt, aber ein Gronmei zeigte niemals Emotionen. Höchstens angesichts seines gewaltsamen Todes – und auch da nur bedingt. Ansonsten wirkten sie wie wandelnde Bio-Automaten.
In stoischer Ruhe wartete der Gronmei ab, bis alle zusammenbrechen würden. Dann konnte er das Betäubungsgas wieder abpumpen, damit man die Halle betreten konnte.
Es interessierte ihn nicht einmal, was seine Auftraggeber mit den Menschen eigentlich vorhatten. Warum sie nicht schon von vornherein beschlossenen hatten, die ungebetenen Gäste auf TUSTRA einfach zu liquidieren. Damit wäre man eine Menge Sorgen losgeworden.
Den Gronmei interessierte überhaupt nichts – außer seinem Auftrag. Und der war jäh gefährdet, denn irgendetwas geschah, womit niemand gerechnet hatte …
*
Ken Randall schaute den Ba-to-neh von der Seite an. Die sehen alle gleich aus! , konstatierte er.
Da fuhr der Ba-to-neh herum und zischte ihn an: »Riechst du nicht das Gas? Die wollen uns jetzt wirklich betäuben!«
Ken Randall brauchte nicht einmal die berühmte Schrecksekunde, um zu einem Entschluss zu kommen: Er war ein Überlebensspezialist, also Experte dafür, in den extremsten Situationen klar zu kommen. Seine geschulten Instinkte schalteten sich blitzschnell ein und ließen ihn handeln …
Aber er konnte es nicht selber tun. Es war zu wenig Zeit gewesen, sich mit den Kontrollen des Gleiters vertraut zu machen. Auf TUSTRA war alles so anders als auf der Erde.
Der Ba-to-neh!
»Schnell weg hier!«
Und da bewies der Ba-to-neh, dass auch er rasch zu reagieren vermochte: Seine beiden stämmigen Tentakelarme, die bis zu vier Meter lang werden konnten, griffen in die Schalter. Seine anderen beiden Arme, die mit den feingliedrigen Fingern an ihren Enden, betätigten Tastaturen. Sie tanzten darauf herum wie lebendige, selbständige Wesen. Ein irres Stakkato, dem Ken Randall kaum mit den Augen folgen konnte.
Ein gewaltiger Ruck ging durch den
Weitere Kostenlose Bücher