Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition)
auszurauben?“ Die giftgrünen Augen des Kartenspielers waren auf den Dieb fokussiert und verrieten seine Entschlossenheit, ihn zu töten.
„Bitte, tu mir nichts“, wimmerte der Taschendieb. „Ich habe so viel schlimmes von dir gehört, wie du jedem deiner Opfer eine Karte aus deinem Kartendeck zusteckst, ehe du ihn mit deinen Messer verunstaltest. Es gibt die schlimmsten Geschichten und Mythen über dich und ich habe bis heute daran gezweifelt, dass jemand wie du überhaupt existiert. Sag mir nicht, dass alle Geschichten wahr sind und du mir eine deiner tödlichen Karten zusteckst, ehe du mir den Gar ausmachst. Wenn doch, dann mache es kurz und schmerzlos und quäle mich nicht. Bitte!“
„Eine Tasche ist es dir wert, einen anderen Menschen mit dem Tod zu drohen?“, fragte der Kartenspieler zornig. „Ich sollte dich hier und jetzt aufschlitzen, obwohl du nichtmal den Stahl meiner Klingen wert bist.“
Der Kartenspieler presste seine Klinge stärker an die Kehle des Taschendiebs, bis die ersten kleinen Blutstropfen aus den verletzten Hautporen zum Vorschein kamen. Die Hand des Kartenspielers zitterte, als ob ihn etwas zurückhalten würde. Was auch immer der Kartenspieler in den letzten sechs Monaten getrieben hatte, seine Kompromisslosigkeit war um einiges gesunken. Während er früher mit seinen Opfern kurzen Prozess machte, so schien er in diesem Moment gegen eine innere Blockade zu kämpfen, gegen etwas, das ihm nicht das Morden untersagte, sondern, dass an ihn appellierte diesen verzweifelten Taschendieb, der nichts außer seine Handtaschen hatte, am Leben zu lassen.
„ JACK! “, hallte es durch die Gasse.
Der Kartenspieler schreckte paralysiert auf, als er seinen richtigen Namen vernahm.
Aus der Hintergrund näherte sich eine hübsche Gestalt, eine junge Blondine, die sich behutsam an den Kartenspieler anschlich. Das dunkle Tageslicht fiel auf ihre gebräunte Haut und ihre dunklen Augen die den Kartenspieler umsorgend anstrahlten. „Hör bitte auf, Jack“, sagte sie und berührte seine Schulter.
„Ja, bitte hör auf!“, flehte der Taschendieb.
„Er hat dich bedroht, Selin “, knurrte der Kartenspieler. „Womit hat er noch das Leben verdient? Wieso sollte ich dulden, dass Menschen wie er Menschen wie dich verletzen?“
„Es ist nicht deine Aufgabe diejenigen zu bestrafen, die vom rechten Weg abkommen, Jack“, sagte Selin. „Es ist deine Aufgabe, diejenigen wieder auf ihren Weg zu begleiten, so wie ich es für dich tat.“ Sie streichelte sanft über seinen Rücken und umklammerte zärtlich seinen Oberarm. „Lass ihn gehen, bitte.“
„Ich habe geschworen es nie wieder zu tun“, sagte der Kartenspieler. „Ich wollte nie wieder einen Menschen töten und ich dachte auch, ich könnte es nicht mehr. Doch es benötigt einen Schatten wie mich, der die Bosheit aus dieser Welt entfernt. Ich habe nie etwas anderes gelernt, außer zu töten. Wieso sollte ich nicht meine Fähigkeiten dazu nutzen, um die Finsternis in der Welt zu bezwingen?“
Selin lächelte und klopfte ihm mütterlich auf die Wange. „Doch nicht mit Schatten kannst du die Dunkelheit besiegen, sondern mit Licht. Du musst der Welt und vor allem dir selbst vergeben können. Nur so können wir diese Welt zu einer besseren wandeln.“
Der Kartenspieler schien mit einem Atemzug den Hass aus ihm auszuschnaufen. Er ließ das Messer von der Kehle des Taschendiebs und befreite ihn. „Verschwinde.“
Der Dieb bedankte sich und lief davon so schnell er konnte.
„Du wirst mir meinen Schatten niemals austreiben können“, seufzte der Kartenspieler. „Er ist fest in mir verankert. Es ist mein Killerinstinkt, der mich zu solchen Taten befähigt und antreibt. Es war Schicksal, dass Willi und ich uns begegnet sind. Beide gepeinigt von den Menschen, zogen wir hinaus, um uns an der Menschheit zu rächen. Willi übte Vergeltung für jeden toten Tierfreund, der durch Menschenhand sterben musste. Er erzählte mir von seinem Hass der Menschheit gegenüber. Ich schloss mich an, in der Hoffnung die Schatten meiner Kindheit zu bewältigen. Für jeden Schlag meiner Mitschüler, jedes Mal als sie mich auslachten, jedes Mal als meine Familie wegsah, stach ich zu. Es war jedes Mal befreiend und doch erdrückend, das musste auch Willi gespürt haben. Er hat es geschafft auszubrechen. Er hat den Menschen vergeben und lebt in diesem Dorf mit seinen sogenannten Freunden .“ Der Kartenspieler übte ein spöttisches Schmunzeln über Willis Freunde
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