Mission Eureka
enger an ihn und flüsterte: »Er kann sehr gefährlich
werden.« Sie dachte an ihren Mann als Liebhaber, genoà den Prickel der
Situation, die erotische Spannung, mit dem Liebhaber über den Ehemann
zu sprechen. Das Bild der zwei Hirsche, die sich mit verkeilten
Geweihen gegenüberstanden, tauchte wieder auf. »Ein gefährlicher
Feind«, fügte sie hinzu. Sie löste sich von ihm, sah ihn an und fragte
sich, wer von ihnen den Kampf wohl gewinnen würde. »Aber ich glaube
nicht, daà du Grund zur Sorge hast.«
»Solange ich das tue, was er will!«
Der
Gedanke reizte sie zu einem Lächeln. »So darfst du das nicht sehen.
Denk lieber daran.« Sie beugte sich vor, küÃte ihn und bat ihn erneut
zu bleiben.
»Nein.«
Sie wuÃte, daà er
jetzt gehen würde. Wenn sie erst zu Abend gegessen hätten ⦠Wenn
sie spät ins Bett gegangen wären ⦠Wenn er den letzten Flug
verpaÃt hätte. Aber jetzt gewannen die Schuldgefühle die Oberhand über
die Reste von Lust.
Ein letzter Versuch noch.
»Aber es ist dein Geburtstag.«
Er lächelte. »Alle wollen mich heute daran erinnern, daà ich Geburtstag habe.«
Sie hob die Schultern. »Wann sehe ich dich wieder?«
»Am Mittwoch.«
»Wirst
du dann bei mir bleiben?« fragte sie und küÃte ihn erneut. Sie genoÃ
es, die Rolle der flehenden Frau zu spielen, so als würde sie ihn
wirklich brauchen. »Bitte â¦Â«
Er nickte. Sie hatte es nicht anders erwartet.
2
Zurück
im Münchner Kontrollzentrum, frühstückte Altenburg an seinem
Schreibtisch; Orangensaft und schwarzen Kaffee, mehr brachte er nicht
hinunter. Er verfolgte die Startvorbereitungen im fernen Kourou über
den Kontrollraum. Der Hauptbildschirm zeigte Magellan I auf der
Startrampe; diesmal war es echt, nicht bloà ein simulierter
Computerstart. Vor fünf Stunden war die Rakete aus dem Hangar
geschleppt worden, durch die dunstige Ãquatornacht, und jetzt stand sie
auf der Startrampe, von dem turmhohen Haltegerüst gestützt. Diesmal
befanden sich die Gesichter auf dem rechten Bildschirm auf der anderen
Seite des Atlantiks, an der Küste von Französisch-Guayana. Die
Astronauten hockten angeschnallt in ihrer Kabine, jeder einzelne von
ihnen in seine Checkliste vertieft. Schon am frühen Morgen waren Bilder
von ihnen gezeigt worden, als sie in ihren silbergrauen Fliegermonturen
aus dem Quartier gekommen waren und in die Fernsehkameras gewunken
hatten, bevor sie in den Astrovan eingestiegen waren, der sie zur
Startrampe gebracht hatte. Der Tag versprach heià zu werden. Schon
jetzt wurde die Temperatur auf dem Monitor mit vierzig Grad Celsius
angegeben, und dort drüben herrschte noch Nacht. Altenburg sah sich das
Gesicht des jungen Peter Berger an. Es war angespannt vor
Konzentration. Diesmal hatte er keine Zeit, an Bischöfe und Astronauten
zu denken.
Altenburg stand auf und streckte
sich. Es wurde allmählich Zeit, daà er sich auf seinem Posten einfand;
er spürte, wie ihm das Adrenalin in den Blutstrom zu flieÃen begann. Er
würde bald alles Adrenalin brauchen, das die Drüsen hergaben, um
hellwach und konzentriert zu sein. Später, wenn alles vorbei war,
konnte er vielleicht ein wenig ausspannen. Er fühlte sich schlecht.
Seit Rom hatte er nicht mehr richtig geschlafen, und wenn es ihm einmal
gelungen war, Schlaf zu finden, dann hatte ihn der ständig
wiederkehrende Alptraum heimgesucht: Auf seinem Kontrollschirm
leuchtete grellrot das Wort FEHLFUNKTION auf,
und das ohrenbetäubende Heulen der Alarmsirenen lieà ihn jedesmal
schweiÃgebadet aus dem Schlaf hochschrecken. Seit Rom ging ihm ständig
das eine Argument durch den Kopf: Der Start würde stattfinden, ob mit
oder ohne ihn. Das hatte Waldegg unmiÃverständlich klargemacht; wenn es
denn also sein muÃte, blieb ihm keine andere Wahl: Er muÃte die
Verantwortung übernehmen. Es gab niemanden, der sie ihm abnahm. Und
immer wieder versuchte er, aufkeimenden Zweifel mit dem Gedanken zu
beruhigen: Wenn etwas schiefgeht, kannst du deine Hände in Unschuld
waschen; du hast deine Einwände gegen den Start klar und deutlich
geäuÃert; das ist alles im Sitzungsprotokoll festgehalten. Aber die
Zweifel lieÃen sich nicht vertreiben. Wenn etwas schiefging, konnte er
sich nicht aus der Verantwortung stehlen.
Aber es konnte doch nichts schiefgehen, nicht wahr? Alle Checks
Weitere Kostenlose Bücher