Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack

Teil von ihm. Wir werden die Borg.
    Für mich ist der Cyborg der Science Fiction, der Hybride aus Fleisch und Metall, längst ebenso zum Symbol geworden wie Dr. Satans Roboter ihren Ursprung in der Metapher hatten, die ein tschechischer Satiriker für die entfremdete Arbeit erfand. Die wahre Cyborg-Technologie ist das, woran wir täglich teilhaben, mit dem wir verschmelzen, wozu wir uns entwickeln.
    Diese Woche wurde die erstaunliche Meldung verbreitet, dass die biologische Evolution des Menschen an ihr Ende gekommen ist. Das glaube ich sofort. Die Technologie hat unsere Entwicklung zum Stillstand gebracht. Sie wird uns aber in eine neue Evolution führen, eine, die sich Mr Bush nicht einmal hat träumen lassen und die ich ebenso wenig voraussehen kann.
    Das Interface entwickelt sich in Richtung Transparenz. Je weniger bewusste Aufmerksamkeit es benötigt, desto wahrscheinlicher pflanzt es sich fort. Genauso verhält es sich mit der Interface-Hardware, sodass die Schädelbuchsen, Hirnimplantate und Bolzen im Nacken, die ganze Übergangshardware, die die Science Fiction für den Cyborg erdacht hat, jetzt schon veraltet ist.
    Der echte Cyborg, dieser globale Organismus, ist so wunderbar invasiv, dass diese Dinge reichlich mittelalterlich anmuten – faszinierend wie Folterinstrumente, verführerisch für den Abenteuerlustigen aufgrund der in ihnen schlummernden erotischen Möglichkeiten oder verlockend für Künstler. Aber ich bezweifle, dass viele von uns sich darauf einlassen werden. Derechte Cyborg wird tiefer und weitaus subtiler in uns eindringen. Er existiert bereits auf der Teilchenebene. Für die Menschheit wird die nicht erweiterte Realität bald höchstens noch ein hypothetisches Konstrukt sein, etwas, das wir uns nur noch unter größten Schwierigkeiten vorstellen können – so wie wir uns auch heute schon die Welt nicht mehr ohne elektronische Medien vorstellen können.
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    Dieser Vortrag war Teil einer Vorlesungsreihe an der University of British Columbia. Ich ging davon aus, dass dem Publikum meine literarischen Werke nicht zwangsläufig bekannt sein würden, und versuchte zu erklären – ohne ausdrücklich darauf hinzuweisen –, was ich darin über Technologie schreibe.
    Solche Fragen werden immer gern von Journalisten gestellt, und sie lassen sich meist nicht ehrlich und umfassend beantworten. Manchmal ist es gut, sich in Geduld zu üben und zu schauen, was dabei herauskommt.
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Informationen zum Autor
    © Michael O'Shea
    William Gibson , geboren 1948 in South Carolina (USA). Mit 19 wanderte er nach Kanada aus, um der Einziehung zum Vietnam-Krieg zu entgehen. 1972 ließ er sich in Vancouver nieder, wo er noch heute mit seiner Frau und zwei Kindern lebt. Bekannt wurde er mit seinem 1984 erschienenen Roman Neuromancer , der in diesem Jahr alle gängigen SF-Preise erhielt. Er ist einer der führenden Kritiker der Neuen Medien und des Internets.