Mit anderen Augen (German Edition)
weiterführen. Selbst wenn es mir irgendwie gelingt, mit der Yakuza ein Geschäft zu machen, damit sie den Mordauftrag gegen ihn zurücknehmen, diese Zeit mit mir auf der Flucht wird er nie vergessen. Er wird mich nie wieder vergessen und ich ihn ebenfalls nicht. Es wäre eine Lüge, etwas anderes zu behaupten.
Janniks Alpträume nach dem Anblick von Yoshiro sind nichts im Vergleich zu dem, was uns noch erwarten könnte. Ich muss ihm mehr anbieten, als nur meinen Schutz, weil Jannik sonst früher oder später die Nerven verlieren wird. Obwohl es gut gemeint war, ihn praktisch zu entführen, um sein Leben zu retten, auf Dauer ist das einfach zu wenig. Jannik braucht etwas, woran er sich festhalten kann.
Er braucht Hoffnung.
Mein leiser Fluch lässt Jannik überrascht zu mir sehen. Ich winke ab und reibe mir die Augen. Jeder Rekrut in der Grundausbildung lernt, dass Hoffnung mit das Wichtigste bei einem Kampf ist. Solange man hofft, gibt es einen Ausweg. Die simpelste Grundregel und ich habe sie in den letzten Wochen schlichtweg ignoriert.
„Ist alles okay?“, fragt Jannik, als ich mich seufzend an die Rücklehne der Bank lehne.
„Zachary.“
Er runzelt die Stirn. „Was?“
Ich sehe ihn ruhig an. „Mein richtiger Vorname ist Zachary.“
„Du hast mir von Anfang an deinen richtigen Namen gesagt?“, fragt er völlig verblüfft, was mich nicken lässt. „Warum?“
„Warum nicht?“
„Och nö, nicht die Antwort schon wieder“, stöhnt er und da muss ich lachen. Ich kann nicht anders, was Jannik zuerst überrumpelt schauen und dann mitlachen lässt. Als wir uns wieder beruhigt haben, lehnt er sich ebenfalls zurück und sieht mich zufrieden an. „Du solltest öfter lachen, es steht dir.“
Oh nein, solche Gespräche fangen wir gar nichts erst an. „Jannik...“
Er grinst. „Ich bin schon still.“
„Gut.“
Sein amüsierter Blick schweift eine Weile ziellos durch die Gegend, bis er mich wieder anschaut. „Ist er tot? Der Killer, von dem du diese Wunde hast, meine ich.“
Ich hatte mich schon gefragt, wann er davon anfängt. „Sie. Und ja, sie ist tot.“
Jannik richtet sich neben mir auf, er sieht entsetzt aus. „Eine Frau?“
Ich nicke. „Überrascht?“
„Ja“, gibt er zu und beißt sich auf die Unterlippe. Das macht er gern, wenn er über etwas nachdenkt. Keine Ahnung, wann und warum es mir überhaupt aufgefallen ist, aber das ist es. „Wie hast du sie getötet? Mit dem Messer?“
Es ist mir ein Rätsel, warum Jannik das wissen will, aber ich werde ihn nicht anlügen. „Ja.“
„Und?“
„Was und?“, frage ich ratlos.
„War sie sofort tot?“, will er unruhig wissen.
Ich schüttle den Kopf. „Nein, als ich ging, lebte sie noch.“
Seine Nervosität ist fast mit den Händen greifbar. „Aber dann kann sie uns verraten haben und...“
Mein erneutes Kopfschütteln lässt ihn mitten im Satz verstummen. „Wenn sie nicht zurückkommt, weiß ihr Auftraggeber sowieso, dass ich dort war. Das macht keinen Unterschied.“
„Und wenn sie die Polizei gerufen hat?“
Ich zucke die Schultern. „Wird sie längst tot sein, wenn die beim Haus eintrifft.“
„Woher willst du das wissen?“
Er muss es scheinbar ganz genau wissen. Schön. Das kann er haben. „Die Stichwunden waren tödlich, Jannik. Ich habe dir doch gesagt, der nächste, der mich angreift, überlebt es nicht.“
Jannik schluckt sichtlich und will fragen, wie ich sie verletzt habe, ich sehe es ihm an, aber er tut es nicht. Stattdessen lehnt er sich wieder zurück und schweigt, was auch das Beste ist. Es gibt Fragen, mit deren Antworten Jannik im Moment noch nicht umgehen kann und diese gehört definitiv dazu. Mit mehr Zeit und Gewöhnung, wird er es eines Tages können, aber momentan ist er dafür eindeutig zu zartbesaitet. Kein Wunder, bei dem behüteten Leben, das er geführt hat. Als Killer würde Jannik keinen Tag überleben. Aber wer weiß, vielleicht würde er mich sogar überraschen.
Es sind meist die, von denen man es am allerwenigsten erwartet, die in den schlimmsten Situationen am längsten durchhalten.
VII
Whitefish ist genau das, was ich für uns gesucht habe. Ein kleiner Ort im Nordwesten von Montana mit weniger als 10.000 Einwohnern. Durch das ansässige Skigebiet ist Whitefish im Winter von Touristen überlaufen, unter die wir uns problemlos mischen können. Außerdem gibt es ein paar Meilen außerhalb einen Flughafen und eine Amtrak-Station, sodass wir im Notfall schnell
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