Mit anderen Augen (German Edition)
Freund, falls dir das in den letzten Wochen irgendwie entgangen sein sollte. Oder hast du vergessen, als was wir uns hier tarnen?“
„Nein, du Idiot, das habe ich nicht“, zischt er und verschränkt seine Arme vor der Brust. „Aber das ist alles nur eine Scheißtarnung und rein zufälligerweise habe ich ab und zu auch mal gewisse Bedürfnisse, die du nicht stillen kannst.“
„Bedürfnisse?“
„Stell' dich nicht dümmer an, als du bist, Zack.“ Jannik fängt wieder an, auf und abzulaufen. „Wir sind wochenlang durch das ganze Land gezogen, bis wir hier gelandet sind. Ich hatte seit Monaten keinen Sex mehr, okay? Jonathan war nett und vielleicht hätte ich ihn ja sogar rumgekriegt. Was spricht dagegen, es wenigstens zu versuchen?“
Meint er die Frage wirklich ernst? „Dagegen spricht, dass die halbe Stadt dir zugesehen hat, inklusive mir. Ganz zu schweigen davon, dass Jonathan die Sache gar nicht geheuer war, aber das hast du ja lieber ignoriert, um mir eins reinzuwürgen, nicht wahr?“ Janniks Blick als tödlich zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung. „Ich habe also Recht.“
„Du hast dich aufgeführt wie das letzte Arschloch, Zack!“, explodiert er, greift sich eines der Zierkissen von der Couch und wirft es nach mir. Ich weiche lässig aus, was ihn erst so richtig auf die Palme bringt. „Ja, du Blödmann. Ich wollte dir eins reinwürgen, weil ich Jonathan mag und weil er uns wirklich kennenlernen will. Er ist nämlich auch schwul und rein zufällig gerade Single. Aber das hast du mit deinem finsteren Gesichtsausdruck den ganzen Abend über ja wunderbar torpediert.“
Er ist also interessiert an Jonathan. Nicht, dass es mich wundert. Sie sind im selben Alter und haben sich gut verstanden. Mich wundert in der Hinsicht viel mehr, dass ich nicht will, dass er sich für Jonathan interessiert. Um ehrlich zu sein, ich will nicht, dass er sich überhaupt für irgendeinen Mann in dieser Stadt interessiert.
„Nur so aus Neugier, was hättest du ihm erzählt, wer ich bin, falls du ihn in dein Bett gekriegt hättest?“
„Das wir eine offene Beziehung führen“, erklärt er trocken und seine Dreistigkeit ist wie ein Schlag ins Gesicht.
Jetzt reicht es mir allerdings endgültig. Soweit kommt es noch, dass ich zulasse, dass er mit anderen Männern ins Bett steigt. „Nein, tun wir nicht.“
Jannik stöhnt genervt auf. „Und wieso nicht? Du interessierst dich nicht für Ärsche, speziell für meinen, also kann ich genauso gut mit...“ Er hält inne und sieht mich verblüfft an. „Was ist?“
Wie oft habe ich mich in den letzten Tagen und Wochen genau das gefragt. Was ist? Und zwar, was mit mir los ist, dass ich so einen Mist baue? Statt Jannik zu töten und die 5 Millionen zu kassieren, habe ich seinen Hintern gerettet und zerre ihn seit Monaten durch das Land. Und warum? Ich wusste es nicht. Bis jetzt. Gerade eben hat irgendwer die Scheuklappen vor meinen Augen weggenommen, die daran Schuld waren, dass ich nicht verstanden habe, warum ich nicht will, dass er verletzt, getötet oder von einem Mann wie Jonathan berührt wird.
Ich bin eifersüchtig.
Das erste Mal in meinem Leben bin ich auf jemanden eifersüchtig. Ich könnte mir jetzt einreden, dass ich mir das bloß einbilde, woher soll ich schließlich wissen, was Eifersucht ist, aber das wäre feige und ich bin kein Feigling. Nie gewesen. Ich bin eifersüchtig auf Jonathan und ich hätte jede Grenze überschritten, wenn Jannik tatsächlich mit ihm mitgegangen wäre. Jede gottverdammte Grenze.
„Du gehörst mir und niemand rührt dich an.“
Jannik bleibt im ersten Moment der Mund offenstehen. „Wie bitte?“
Ich würde ihn am liebsten erwürgen, aber ich habe nicht vergessen, was ich bei unserer ersten Joggingrunde fast getan habe und ich habe auch mein Versprechen, es nie wieder zu tun, nicht vergessen. „Du hast mich verstanden.“
Jannik tippt sich vielsagend an die Stirn. „Drehst du jetzt komplett durch? Ich bin doch nicht dein Eigentum.“
„Du bist mein Freund, Jannik, und dabei bleibt es.“
Das sieht er offenbar anders. „Ach so? Und was machst du, wenn ich das nicht so sehe? Überlässt du mich den Yakuza, wenn sie das nächste Mal vor der Tür stehen oder kriege ich von dir persönlich eine Klinge in den Bauch, so wie dieser Japaner in Philadelphia?“
Sein Blick ist eine einzige Herausforderung und es fällt mir mehr als schwer, sie nicht anzunehmen. Ich wusste, dass die Sache früher oder später wieder auf den
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