Mit Arabella fing alles an
seiner Rückkehr. »Er muß so an die achtzig Jahre alt sein. Und hat noch zehn Kilometer in einer solchen Nacht zu marschieren.«
Aaron vermochte uns nicht viel zu sagen. »Es war ein altes Waliser Weihnachtsgedicht«, antwortete er auf unsere Fragen. »Ich kenne es aus meiner Kindheit. Mein Großvater sprach Walisisch, obgleich ihm das nie etwas nützte.«
»Wer ist er, wie heißt er mit vollem Namen?« fragte ich.
»Das weiß der liebe Gott allein«, antwortete er. »Seit vielen Jahren lebt er dort oben und hat es niemandem gesagt. Ein echter Waliser.«
Das mußte genügen, denn niemand sonst wußte überhaupt etwas von ihm. Als wir den Weg hinunter nach Hause gingen, wobei unsere Schritte auf dem gefrorenen Boden knirschten, sprachen wir über dieses Ereignis.
»Vielleicht sollte ihm jemand zu helfen versuchen«, meinte Shirley.
Aber ich hatte nicht den Eindruck, daß Eindringlinge, so gut sie es auch meinen mochten, von ihm willkommen geheißen würden.
In Kindergeschichten wird erzählt, daß, wenn man sich ungesehen am Weihnachtsabend in den Kuhstall schleicht, um Mitternacht — die Geburtsstunde des Christkindes —, man beobachten kann, wie alle Tiere vor Ehrfurcht auf die Knie gehen. Das mag sehr wohl wahr sein, aber ich kann es leider nicht beschwören, weil lange vor dieser Zeit die ganze Familie bereits fest schlafend in den Betten lag.
Vielleicht schwang noch etwas von der festlichen Stimmung des vorangegangenen Abends in mir nach, denn als ich am nächsten Morgen zum ersten Melken die Treppe herunter kam, meinte ich, eine besondere Atmosphäre in unserem Haus zu verspüren.
Der geschmückte Baum stand in der Ecke unseres größten Raums; Flitter und Schmuckstücke glitzerten durch das Kaminfeuer, das ich wieder zu neuem Leben wachrüttelte. Unter den schwer beladenen Zweigen lagen die Familiengeschenke. Selbstgebastelte Papierschlangen hingen an den Deckenbalken, und Shirley hatte die vielen erhaltenen Weihnachtskarten hinter die hölzerne Wandtäfelung gesteckt. Ich fragte mich, wie viele Männer früher wohl bereits dieselben Treppen an längst vergangenen Weihnachtsmorgen heruntergekommen waren und einen ähnlichen Anblick gehabt haben mochten.
Als ich zurückkam, nachdem die Kannen oben an den Weg gebracht worden waren, war die ganze Familie bereits auf und half beim Füttern der Tiere. Durch ihre Unterstützung waren wir damit bald fertig und konnten uns drinnen zum Frühstück hinsetzen. Nachdem dann abgeräumt worden war, öffneten wir unsere Geschenke. Sie spiegelten unser neues Leben wieder. Sie waren eher praktisch und funktionell als ausschließlich dekorativ. Lange, wollene Strümpfe und dicke, von Shirley gestrickte Pullover mit rundem Halsausschnitt, eine Baskenmütze aus Schottenstoff mit einem Pompom dran für Vicky, ein ausziehbares Teleskop für Nicholas Paul und eine Schachtel Gewehrmunition für unseren Jäger John. Shirley erhielt von uns allen einen wattierten Morgenrock, und mir hatte man Rasierklingen, Rasierseife und einen Gedichtband von R. S. Thomas, dem Waliser Dichter, geschenkt, der über das Land und seine echten Bewohner schreibt.
Anschließend machten die Kinder Bescherung für die Tiere: die Katzen durften sich eine Büchse Sardinen teilen, und die Hunde eine Dose Hundefutter. Die Beschenkten zeigten sich äußerst dankbar.
Unser Weihnachtsessen bestand aus einem unserer eigenen Hühner und einer fleischigen Ente, die uns von Ellis’ Tochter überreicht wurde, aus der Umgebung stammenden Kartoffeln sowie Rosenkohl aus dem eigenen Garten. Es mag an der Frische oder dem strengen Wetter gelegen haben, aber ich fand, daß es eine der schmackhaftesten Mahlzeiten war, an die ich mich je erinnern konnte. Als schließlich der Pudding aufgetragen wurde, mußte man sich richtig anstrengen, um dafür noch Platz im Magen zu finden. Irgendwie schaffte es Shirley sicherzustellen, daß jedes Kind in seiner Portion eine Silbermünze fand.
John und ich bewerkstelligten das Melken und Füttern der Tiere am Abend früher als sonst, so daß wir den Tag in Ruhe mit dem Essen von Christmas Cakes und Trinken beachtlicher Mengen von Egertons Holunderbeerwein ausklingen lassen konnten.
Der Tag wurde durch Telefonanrufe mehrerer unserer Freunde aus London belebt, die, den Geräuschen und dem Gelächter im Hintergrund nach zu urteilen, viel Spaß zu haben schienen. Aber wir hätten mit ihnen nicht tauschen wollen. Nicholas Paul gab meinen eigenen Gedanken und Gefühlen Ausdruck,
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