0028 - Insel der Seelenlosen
Sie stand auf der kleinen Bühne des bekannten Londoner Nightclubs »Hazelnut« und sang Lieder von den Beatles. Ihr Haar war pechschwarz und floß in lockeren Wellen auf ihre wohl gerundeten Schultern. Sie hatte üppige Brüste und eine aufregend schmale Taille.
Ein Mädchen, das eine kaum zu überbietende Sinnlichkeit ausstrahlte. Es hatte einen Schmelz in der ausgebildeten Stimme, der jedem Mann unter die Haut ging.
Es war siebzehn Uhr. Der Nachtklub hatte noch geschlossen.
Am Klavier saß ein hagerer Mann mit Sorgenfalten auf der Stirn. Mit gelenkigen Fingern hämmerte er auf die Tasten. Neben ihm stand Paul Lindsay, der Chef des Clubs, ein kompakter Mann mit finsterer Miene. Er lachte selten, und wenn es mal passierte, dann kam es ihm gewiß nicht von Herzen.
Lindsay trug einen schwarzen Smoking.
Das Mädchen auf der Bühne war mit Jeans und Pulli bekleidet. Sie war hier, um Lindsay vorzusingen, und wenn sie gut bei ihm ankommen sollte, rechnete sie mit einem Engagement.
Das wäre ein großer Erfolg für sie gewesen, ins Rampenlicht der Öffentlichkeit zu treten. Ihr Traum war, in diesem Prominententreff fürs Fernsehen oder den Film entdeckt zu werden.
»Wie ist ihr Name?« fragte Lindsay den Klavierspieler.
»Jill…«
»Ja, Jill. Das weiß ich. Und wie noch? Ich kann ihren Nachnamen so schlecht behalten.«
»Grabowski«, sagte der Klavierspieler, ohne aufzuhören, die weißen und schwarzen Tasten zu bearbeiten.
»Ach ja, Grabowski.« Paul Lindsay rümpfte die Nase. »Ein Zungenbrecher.« Er fing hinterhältig zu grinsen an. »Was meinst du, Charly, ist sie nicht ein wunderschönes. Mädchen?«
»O ja, Sir, das ist sie.«
»Sollte man sie nicht…«
Shaeffer erschrak. Beinahe hätte er sich vergriffen. Er blickte Lindsay mit kummervollen Augen an. »O nein, Sir. Nicht dieses Mädchen. Tun Sie ihr nichts. Sie ist noch so jung, so zart wie eine frische Knospe. Es wäre ein Verbrechen an der Schönheit…«
Paul Lindsay machte eine unwillige Handbewegung, »Papperlapapp. Was soll das dämliche Gerede? Gerade weil sie so jung und schön ist, werde ich sie… Hör zu spielen auf!« Die letzten Worte klangen scharf.
Shaeffer hielt mitten im Takt inne. Er schaute auf seine Finger. Sie zitterten. Was Paul Lindsay plante, ging ihm auf die Nerven. Wenn er doch nur etwas für dieses Mädchen hätte tun können.
Aber Lindsay war der Chef. Und wer sich gegen ihn stellte, der hatte mit schlimmen Repressalien zu rechnen.
Jill Grabowski unterbrach ihren Gesang. Sie schaute von der kleinen Bühne herunter. Ihre salzwassergrünen Augen suchten Paul Lindsay.
Der Besitzer des »Hazelnut« applaudierte. »Ausgezeichnet, Miss Grambo… Garwow… äh, Jill. Ich muß gestehen, daß hier bei mir schon lange kein so viel versprechendes Talent vorgesungen hat.«
Jills Augen leuchteten vor Glück.
Armes, armes Mädchen, dachte Charly Shaeffer. Er seufzte unglücklich. Diese Dinge gingen ihm immer gewaltig an die Nieren.
»Ist das wirklich wahr, Mr. Lindsay?« fragte Jill begeistert.
»Aber natürlich. Wenn ich es sage«, gab Lindsay zurück. »Kommen Sie von der Bühne herunter. Sie haben Ihre Sache großartig gemacht. Ich bin sehr beeindruckt.«
»Vielen Dank, Mr. Lindsay. Ein Urteil aus so berufenem Munde freut mich ganz besonders.« Jill Grabowski sprang von der Bühne. Sie eilte zwischen den Tischen auf den Nightclubbesitzer zu.
»Sie können was, das ist unbestritten«, sagte Paul Lindsay.
Jill strahlte.
»Wer hat Sie ausgebildet?« wollte Lindsay wissen.
»Sibyll Malone.«
»Die alte Schreckschraube?« Lindsay lachte schnarrend.
Jill Grabowski fiel in sein Gelächter ein. »Sie ist zwar nicht mehr taufrisch, aber sie kann mit Schülern hervorragend umgehen.«
»Und sie kann ihren Schülern etwas beibringen«, betonte Lindsay. Er legte Jill seine Hand auf die Schulter.
Charly Shaeffer schloß den Klavierdeckel und drehte sich um. Er konnte nicht zusehen, hatte Mitleid mit dem schönen Mädchen.
»Ich schlage vor, wir begeben uns jetzt in mein Büro. Da können wir dann ungestört über Ihr erstes Engagement plaudern«, sagte Lindsay.
Jill stieß einen Freudenschrei aus und rief: »Oh, Mr. Lindsay, dafür könnte ich Ihnen vor lauter Glück einen dicken Kuß geben.«
Lindsay grinste. »Nur zu. Legen Sie sich keinen Zwang an.«
Jill küßte ihn. Er blickte über ihre Schulter nach Shaeffer. Seine Augen waren in diesem Moment erschreckend hart, aber davon merkte Jill Grabowski nichts. »Kommen Sie«,
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