Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman
in denen Caravaggio bei päpstlichen Aufträgen von konventionelleren Künstlern ausgestochen worden war, hatte er den Gipfel des Ansehens und finanziellen Erfolgs erreicht. Er hatte den Chefkenner einer neuen Regierung im Vatikan beeindruckt. Malen würde er Camillo Borghese, Papst Paul V., und es würde ein Signal an alle Kirchen und Kardinäle sein, an jede wohltätige Vereinigung und an jeden Adeligen, dass Caravaggio der größte aller Künstler in der Welt der Christenheit war.
Auf dem Korridor rieb das Dienstmädchen mit der Bürste Wachs auf Terrakotta.
∗
Caravaggio bahnte sich auf dem Corso einen Weg durch die Menge aus Dienstmädchen und Kavalieren auf ihrer abendlichen Promenade. Die Aufregung, in die ihn das Treffen mit dem Kardinalnepoten versetzt hatte, hielt immer noch an. Er würde dem Papst gegenübersitzen. Würde seine Arbeit dann trotzdem noch wahrhaftig sein? Würde er der Versuchung erliegen, eine Unreinheit der Haut zu übertönen, einen gierigen, geizigen Blick gütig und großzügig aussehen zu lassen? Er wich einer Kutsche aus, die dicht vor seinen Füßen vorbeiratterte, und stolperte im Rinnstein über ein Schwein.
Die Arbeit würde vom Gedanken an Erfolg und die damit möglicherweise einhergehende Bestechlichkeit ablenken. Ermachte sich auf den Weg zur Taverna del Moro, um ein Modell zu mieten. Er brauchte eine Schwester für die Magdalena, die er in seinem Atelier gemalt hatte. Die Huren würden sich jetzt wohl für die nächtlichen Ausschweifungen des Fleisches mit Wein stärken. Unter ihnen würde er das Gesicht der Heiligen finden.
Eine einzelne Laterne baumelte an einem Balken überm Tresen der Taverne. Schlecht rasierte, feindselige, schweigende Gesichter flackerten im Dämmerlicht. Er hatte den Eindruck, als beträte er das Krankenzimmer eines ungeliebten Verwandten. An jedem Tisch griffen Hände unter die Platten, um jederzeit eine Waffe zücken zu können, und jeder musterte misstrauisch den Neuankömmling. Neben der Tür schnarchte ein Mann, den Kopf neben einem Weinkrug; seine Haare waren vom Tag in einer Steinmetzwerkstatt weiß bestäubt. Der Kellner kam mit einem Teller gebratener Artischocken vorbei. «Alles in Ordnung, Signore?»
«Ist Menica hier, Pietro?»
Der Kellner setzte den Teller ab. Ein Mann mit einem breitkrempigen Hut griff mit seinen dicken, dreckigen Händen nach den Artischocken, riss die Schuppenblätter ab und tunkte sie ins Olivenöl auf dem Teller. Er legte einen Arm um sein Essen, als rechnete er damit, dass es ihm weggenommen werden könnte.
«Menica? Schon so früh so geil, Signore?», sagte der Kellner. «Wollt Ihr nicht erst einmal essen? Wir haben schönen Ricotta und gekochtes Fleisch. Das gibt Euch Mumm für die abendliche Ertüchtigung.»
Der Artischockenesser stieß ein verächtliches Kichern aus. Selbstzufrieden grinste der Kellner ins Dunkel, wo der Mann saß.
Caravaggio näherte sich ihm.
Pietro sah ihm in die Augen und verlor seine Selbstgefälligkeit. «War nur ein Scherz, Signore. Ich kenne Euch gut, und ich würde mich nie über Euch lustig machen.»
Die Tür wurde geöffnet. Sie schlug gegen den Tisch, an dem der Steinmetz schlief. Aufgeschreckt hob er den Kopf, wobei der Staub als dünne weiße Wolke aufstieg. Zwei Männer kamen herein, die sich gegenseitig stützten, als wären sie bereits betrunken. Der größere trug ein schwarzes Wams mit rot und türkis gestreiften Ärmeln. Er hielt eine Tonflasche hoch und setzte sie seinem Kumpan an den Mund. «Michele, wo steckst du denn,
Cazzo
?»
Onorio Longhi schlang Caravaggio einen Arm um den Hals. Er war blass, hatte Sommersprossen und einen rotblonden Kinnbart. Das Haar hing über seine Augen und verschattete tiefe Augenhöhlen. Selbst wenn er gute Laune hatte, war Onorios Blick furchteinflößend, und das wusste er ganz genau. Angst zu verbreiten machte ihm Spaß. Er zog Caravaggio zu sich heran und küsste ihn auf die Stirn. «Mario hat das Riesenarschloch Ranuccio vom Tennisplatz gefegt. Stimmt’s, Maestro Minniti, mein kleiner sizilianischer Arschficker?»
Der Mann unter Onorios anderem Arm umarmte lachend Caravaggio. Er war klein und schmächtig und hatte um die Mundwinkel immer noch den ironischen Zug, den Caravaggio vor sechs Jahren seinem Ebenbild eingezeichnet hatte, als er ihn als den von einer handlesenden Zigeunerin Betrogenen porträtiert hatte. Er trug immer noch das gleiche senffarbene Samtwams, in dem er damals posiert hatte, nur dass es inzwischen an den
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