Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman
die da.» Onorio winkte der Frau zu. Sie ging zwischen den Tischen entlang und ignorierte die Männer, die aus den Schatten heraus nach ihren Brüsten griffen.
«Habt ihr ihn gesehen?», sagte sie.
«Ich nehme an, du suchst deinen Luden?», sagte Onorio. «Wir haben uns erst vor Kurzem auf den französischen Tennisplätzen von Signor Ranuccio getrennt. Ich glaube aber, dass er noch woandershin wollte.»
«Wohin? Ich muss ihn finden.»
Onorio zog sie neben sich auf die Bank. «Prudenza, er ist wahrscheinlich bei ’ner Nutte. Bleib hier bei uns.»
Caravaggio fasste dem Mädchen ins Haar. Eine Strähne klebte an ihrer Wange. Als er die Strähne wegziehen wollte, blieb sie in ihrem Mundwinkel hängen. Sie zuckte zurück und legte die Hand auf die Stelle. Ihr Handgelenk war mit einem schmuddeligen Stück Stoff verbunden. Er hielt das Haar ins Kerzenlicht. Es war mit einer spröden, trockenen Schicht bedeckt, die den gleichen erdigen Farbton hatte wie die Ocker- und Umbrapigmente, die auf seiner Handfläche klebten.
«Du blutest ja, Mädchen», sagte er.
«Fillide ist mit einem Messer auf mich losgegangen.» Prudenzas Haare hatten sich aus dem Zopf gelöst, der von Ohr zu Ohr reichte. Es fiel in langen rotbraunen Arabesken zwischen die Brotkrumen.
Onorio tätschelte ihr die Schulter. «Du hast Glück gehabt,dass du noch lebst, wenn das Miststück es ernst gemeint hat.»
«Ich hatte wirklich Glück.» Der Atem des Mädchens ging so schnell, als fühlte sie immer noch die Bedrohung. «Sie ist mit einem Messer auf mich losgegangen, und ich habe versucht, mich zu wehren, aber sie hat mich hier am Handgelenk erwischt.»
«War jemand dabei, als sie dich angegriffen hat?» Caravaggio hob die blutige Strähne hoch und stopfte sie wieder in den Zopf.
«Ich war in meinem eigenen Haus. Sie stürmte herein und ging auf mich los. Sie schnitt mir in den Mundwinkel, und als sie sah, dass ich blutete, hat sie mich beschimpft und ist weggelaufen.»
Ihm entging nicht, dass sie eine ganz andere Frage beantwortet hatte. Er drehte seinen Weinbecher auf der Tischplatte hin und her. «Warum suchst du Ranuccio?»
«Er muss mich beschützen.»
Das Mädchen war siebzehn Jahre alt und erst vor einigen Monaten aus der Toskana gekommen. Die Männer sahen sich schweigend an. Sie waren lange genug in Rom um zu wissen, dass eine Hure, die hier überleben wollte, mehr Verstand als diese brauchte.
Caravaggio sagte leise: «Ich glaube nicht, dass du –»
«Er wird mich bestimmt suchen. Ranuccio liebt mich.»
Wieder tauschten die Männer einen Blick. Es war, als hätte ein Inquisitor sein Urteil über das Mädchen gesprochen. Wenn eine Hure glaubte, von ihrem Zuhälter geliebt zu werden, war sie so verloren wie ein Ketzer, der mit einer Zungenklammer im Mund zum Richtplatz gekarrt wurde. Beide würden den Flammen nicht entgehen.
«Ich spreche mit Fillide, meine Liebe.» Caravaggio brauchte gar nicht erst zu fragen, worüber der Streit zwischen den beidenFrauen ging. Ranuccios Name lieferte bereits die Erklärung. Der Mann war ein Zuhälter und ein Hurenbock. Etwas an dem Mädchen verstörte ihn. Anfangs glaubte er, es sei ihre fatale Naivität. Er stellte dem Mädchen die Kerze vors Gesicht.
Nein
, sagte er zu sich selbst.
Sie sehnt sich nach Liebe, und anders als andere Huren sieht sie keinen Hinderungsgrund dafür
.
Prudenza zog die Nase kraus. «Was machst du da mit der Kerze?»
«Kommst du mit mir nach Hause?»
«Ich muss Ranuccio finden.»
«Nicht jetzt. Morgen.»
Das Beben ihrer Brust ließ nach.
Jetzt wird sie professionell.
«Ich brauche ein Modell», sagte er. «Ich werde dich malen.»
An ihren Augen ließ sich ablesen, dass ihr etwas dämmerte, und sie lächelte triumphierend. «Du bist das also, nicht wahr? Der, der Fillide gemalt hat. Onorio, warum hast du mir nicht gesagt, dass er der berühmte Mann ist?»
«Hast du ‹berüchtigt› gesagt? Da hast du recht,
Puttanella
.» Onorio stand auf und war zum Gehen bereit. Er kniff ihr in die Wange.
«Ich wohne in der Gasse San Biagio hinter dem Palazzo Firenze. Frag nach Michele, der bei Signora Bruni mietet.» Caravaggio legte ein paar Münzen für den Kellner auf den Tisch. Er öffnete Prudenzas Hand und rieb ihr mit dem Daumen über die Handfläche.
Hier ist ein Mädchen, von dem die meisten sagen würden, dass sie der Liebe unwürdig ist
, dachte er.
Genau wie ich
. Diejenigen, welche im Leben einen steinigen Pfad einschlugen, wurden um ihre schönsten Hoffnungen
Weitere Kostenlose Bücher