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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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betrogen. Aber Prudenza wagte es, Liebe zu erhoffen, als hätte die Hurerei ihr nicht die Unschuld geraubt. Ohne zu wissen, wie, war sie immer noch rein. Er lächelte.
Was ist mit dir, Michele? Kannst du noch einen letzten Rest deiner unbefleckten Seele finden?
Schockiert und stirnrunzelnd fragte er sich, ob er diesen Rest überhaupt erkennenwürde, wenn er ihm je begegnete. Er schloss ihre Finger um einen dünnen Goldscudo. «Zeig diese Münze nicht Ranuccio.»

2
Martha bekehrt Magdalena

    Ein Trio magerer Nutten wackelte an der Ecke des Corsos mit den Hüften. Sie riefen ihre groben Grüße, bis Onorio ins Laternenlicht trat. Eine der Huren erkannte ihn als einen unliebsamen Kunden und streckte ihm den Hintern zum Kuss entgegen.
    «Da beiß ich rein, du miese kleine Nutte.» Er redete durchaus gut gelaunt, aber das Mädchen zog sich verzagt zurück, weil ihre Unverfrorenheit nicht verfangen hatte. Onorios Gesichtszüge erstarben wie ein Bild, auf dem der Künstler vergessen hatte, einen Lichtreflex auf den Augapfel zu tupfen.
    Mario fasste die Hure am Ellbogen. Sie strich sich mit den Fingerspitzen übers Kinn und zeigte dann auf Onorio. Mario kniff ihr in den Hintern und zog sie lachend in die Gasse hinein.
    Onorio hob den Kopf, drehte sich zur Seite und nieste. Er wischte Caravaggio eine Schleimspur von der Schulter. «Macht nichts. Du hast sowieso schon dieselbe Krankheit wie ich.»
    Caravaggio zeigte auf Mario und die Hure. «Ich hoffe nur, dass ich nicht habe, was sie mit sich rumschleppt.»
    «Kriegst du früher oder später auch.» Onorio wischte sich die Nase am Ärmelaufschlag ab.
    «Mario und ich? Nicht, seit er verheiratet ist.»
    «Er hat zwei Frauen. Eine neutralisiert die andere, also ist er wieder solo und steht zur Verfügung.»
    «Ich hoffe, dass das nicht die Art von Mathematik ist, mit der du deine Gebäude entwirfst.»
    «Keine Bange. Ich muss nur dafür sorgen, dass die Fassaden hübsch aussehen. Ich verlasse mich auf die Maurer, dass sie nicht einstürzen.»
    Entlang dem Corso schimmerte der Arco di Portugallo im Fackelschein. Er markierte das südliche Ende des Gartens des Bösen, wo per Dekret des Papstes die Huren wohnten und wo sich die Künstler trafen, um unter ihresgleichen zu sein. Caravaggio blieb unter den Säulen stehen. Irgendeine Macht hinderte ihn daran, die Grenze zu überschreiten, als sei er unwürdig, fern der Huren, Zuhälter und Mietwucherer, unter den angesehenen Ständen zu wandeln. Wer ihn jenseits des Gebiets des Gartens des Bösen sähe, würde vor ihm zurückschrecken, als wäre er ein wildes, von den Bergen herabgestiegenes Tier.
    «Was willst du mit Ranuccio machen?» Wie ein Verschwörer dämpfte Onorio die Stimme, damit sie nur ans Ohr seines Komplizen drang. «Das Geld? Die Wette?»
    Irgendein Erinnerungsfetzen sagte Caravaggio, dass Ranuccio betrogen hatte. Oder hatte er diese Erinnerung in seiner Wut selbst erschaffen? «Es war eine Fehlentscheidung. Der Ball war im Feld. Er hat mich nicht besiegt. Das Spiel zählt nicht. Ich gebe diesem Arschloch keinen einzigen dreckigen Baiocco.» Er pumpte Adrenalin. Das vertraute Gefühl der Hemmungslosigkeit, stets begleitet von der Überzeugung, völlig im Recht zu sein, egal, wie sehr seine Wut diejenigen schockierte, mit denen er Umgang hatte.
    Onorio fasste Caravaggios Hand. «Ranuccios Familie steht sich gut mit dem Papst, Michele.» Der Pulsschlag in Onorios Daumen schlug synkopiert und ungleichmäßig in Caravaggios Handfläche. Nichts kam ihm mehr normal oder natürlich vor. «Sein Bruder hat in der Armee des Papstes gekämpft. Sein Vater ist Kommandant der Garde im Castel Sant’Angelo. Verstehst du? Die Festung des Papstes. Sie sorgen im Namen des Heiligen Vaters in diesem Stadtteil für Ordnung.»
    «Leisten ganze Arbeit. Stimmt’s? Man kann nicht mal über die Straße gehen, ohne dass einem ein Taschendieb etwas aus der Hose zieht.»
    «Der Papst interessiert sich nicht für Verbrechen. Er interessiert sich für Aufstände gegen die Regierung. Solchen Ärger verhindert die Familie Tomassoni. Egal, ob Ranuccio sich stark fühlt. Egal, ob er seine Nutten aufschlitzt. Wenn der Papst ein Schwert braucht, um sein Revier zu verteidigen, zückt Ranuccio seine Klinge und sagt: ‹Heil, Heiliger Vater, die, die andere rücklings erstechen, grüßen dich.› Wenn die Tomassonis dies Viertel wie eine Verbrecherbande beherrschen, dann schert das den Vatikan nicht.» Onorio kam ihm ganz nah. «Aber wenn du dich mit

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