Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
auf deutschen Straßen alle 28 Meter ein Verkehrsschild – wer also von Hamburg nach Berlin fährt, der erblickt 10357 Schilder. Von Köln nach Erfurt: 13142 Schilder. Von Bremen nach München: 26750 Schilder. Bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometern muss das Gehirn pro Sekunde ein Schild verarbeiten – wobei dafür ein berühmtes Gedächtnisexperiment helfen kann: Man lässt sich pro Sekunde eine Zahl vorsagen und versucht, sie alle zu addieren. Nach 15 Sekunden fragt der Aufsager: »Was war die dritte Zahl, die ich gesagt habe?« Nur etwa zehn Prozent der Menschen können sich daran erinnern. Bei Verkehrsschildern ist das noch schlimmer: Wer mit der Richtgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern fährt, sieht durchschnittlich alle 0,77 Sekunden ein Schild. Probieren Sie mal aus, wie viele Schilder sie tatsächlich wahrnehmen und an welchen Sie einfach vorbeifahren.
Ein Verkehrsschild kostet laut ADAC übrigens 350 Euro, bei der Fahrt von Bremen nach München passiert der Autofahrer also Verkehrsschilder im Wert von 9,36 Millionen Euro.
Bei diesen Studien hat der ADAC auch herausgefunden, dass 30 Prozent aller Verkehrsschilder unnötig sind. Das war in den 80er-Jahren – und das damalige Bundesministerium für Verkehr hat daraufhin den Modellversuch »Weniger Verkehrszeichen« unterstützt. Die Maßnahme zeigte durchaus Wirkung: Bis zum Jahr 1997 ist die Anzahl der Verkehrsschilder um 24 Prozent gestiegen. Also gab es wieder eine Initiative. Diesmal wurde die Straßenverkehrsordnung geändert und festgelegt, dass Beschränkungen des fließenden Verkehrs nur dann angeordnet werden dürfen, wenn eine Gefahr besteht, die über dem allgemeinen Risiko liegt. Auch diese Aktion war ein voller Erfolg: Bis zum Jahr 2010 ist die Anzahl der Verkehrsschilder noch einmal um 17 Prozent gestiegen.
Wie lautet die Definition von Wahnsinn laut Albert Einstein? Immer und immer wieder das Gleiche tun und ein anderes Ergebnis erwarten. Genau das machen die Menschen, die sich diese Initiativen ausdenken.
Wer muss schon das Aufstellen neuer Schilder begründen, wenn er dem Autofahrer einfach drohen kann, ihm den Führerschein zu entziehen, wenn der sich nicht an die Verbote hält?
Zu den Verkehrsschildern und Hinweisen kommen natürlich die Schilder, die Privatpersonen angebracht haben: »Ausfahrt freihalten«, »Hunde dürfen hier nicht rein«, »Bitte unterlassen Sie es, beim Verlassen des Lokals Lärm zu machen«. In einem Lokal in der Nähe meiner Heimatstadt hängt sogar ein Verbotsschild, das nur wegen mir dort angebracht wurde und auf das ich ziemlich stolz bin – dazu später mehr.
Es gibt laut einer Studie neben den 20 Millionen Verkehrsschildern noch weitere 56 Millionen Schilder in Deutschland, die uns darauf hinweisen, dass wir etwas machen sollen oder etwas nicht dürfen.
Also: Alle 9,8 Meter hängt irgendwo in Deutschland ein Schild, das einem sagt, was man zu tun und was man zu lassen hat.
Ich habe mich auch auf die Suche gemacht nach den lustigsten Verbotsschildern in Deutschland. Hier sind meine persönlichen Top fünf:
Dieses Schild könnte bedeuten: »Kein Stagediving!«
Es könnte aber auch bedeuten: »Pep Guardiola darf hier nicht Trainer werden.«
Dieses Schild gehört meiner Meinung nach an jede Ampel.
Es könnte bedeuten: »Keine öffentliche Skigymnastik durchführen.«
Es könnte aber auch etwas zu tun haben mit Menschen, die sich gerne zwischen Bäumen erleichtern.
Könnte bedeuten: »Wer Klimmzüge macht, könnte sich mit Tee, der gerade an der Decke gebrüht wird, die Genitalien verbrühen.«
Und mein absoluter Liebling:
Ich überlege seit Wochen – und das ist die beste Erklärung, die mir eingefallen ist: »Es ist toten Menschen verboten, Bauarbeiter zu erschrecken.«
Die Deutschen lieben ihre Schilder und ihre Verbote – und je nach Ausgang der Bundestagswahl 2013 könnte das Mega-Verbot hinzukommen. Die Grünen planen, das Tempo in geschlossenen Ortschaften zu reduzieren. Statt Tempo 50 soll es heißen: Tempo 30. Warum eigentlich nicht? Würde das gehen? Spricht man mit Polizisten, so hört man Sätze wie: »Der Aufwand, die Regeltreue der Bürger zu überprüfen, wäre schon enorm.« Redet man mit Autofahrern, so hört man eigentlich nur den Satz: »Was für ein Unsinn!« Hört man Politikern wie dem Grünen-Abgeordneten Toni Hofreiter zu, so wird das Telefon zu einem Duschkopf, weil sich ein Redeschwall über einen ergießt. Man bekommt Studien
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