Mit Herz und High Heels - Clark, B: Mit Herz und High Heels - The Overnight Socialite
hatten Frauen nicht anders gekonnt, als ihm gebannt in die Augen zu schauen, ihm zu Füßen zu liegen und ihm restlos zu verfallen.
Und das mit gutem Grund. Er war groß, gut aussehend aristokratisch, war ein Ass in Tennis und Squash, Mitglied der besten Klubs der ganzen Stadt, stolzer Nachfahr blaublütiger Mayflower -Reisender, halsabschneiderischer Gummibarone und nicht nur eines toten Präsidenten. Außerdem war er – wie man außerhalb seiner Kreise wohl sagen würde – stinkreich.
Aber viel wichtiger noch: Er war ein anerkannter Wissenschaftler, ein Harvard-Mann … ein Denker! Gut, womöglich war seine Karriere in den letzten fünf Jahren ein wenig ins
Stocken geraten, aber er hatte immer noch die prestigeträchtigen Buchstaben – DR – die seinem guten Namen das gewisse Etwas verliehen. Hatte die Zeitschrift Quest ihn nicht als »weltberühmten biologischen Anthropologen und New Yorks begehrtesten Junggesellen« betitelt? O ja, das hatten sie – schließlich hatte er den ausgeschnittenen Artikel als Beweis.
Was machte es da schon, dass er ein bisschen grau um die Schläfen wurde? Er war Wyatt Hayes; da sollte das Alter doch eigentlich keine Rolle spielen.
Aber irgendwie machte ihm die Sache jetzt doch zu schaffen. Seit wann bitte schön ließ sich seine Freundin lieber mit anderen Männern ablichten? Sie war so erpicht darauf gewesen, sich mit diesem Milchbubi Theo knipsen zu lassen; dieser neureiche Schnösel mit den nach hinten gegelten Haaren und dem strahlenden, überkronten Zahnpasta-Lächeln. Eine erschreckende Erschütterung der natürlichen Ordnung. Und mit der natürlichen Ordnung kannte Wyatt sich bestens aus: Er hatte sein ganzes Erwachsenenleben damit zugebracht, sie zu studieren. Junge Löwinnen wussten instinktiv, wann es an der Zeit war, vom alternden Rudelführer zu einem neuen, aufstrebenden Männchen überzulaufen. Ob Cornelia das gerade eben getan hatte?
Der Wind drehte sich; es ließ sich nicht leugnen. Man musste sich doch bloß Southampton anschauen mit den Whopper-Villen überall, die wie Pilze aus dem Boden schossen, den brandneuen Bentleys und all den gesellschaftlichen Aufsteigern, die ihren Reichtum zur Schau stellten wie gehisste Schiffsflaggen – dort schien sich seit seiner Jugend alles von Grund auf verändert zu haben. Die Wirtschaftskrise hatte die Bullen von den Ochsen getrennt, und die Bullen, die überlebt hatten, waren zäher, kämpferischer, schwerer zu
ignorieren. Die Schickeria war noch viel schlimmer. Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen – wohlerzogene junge Damen aus gutem Hause – waren die gegenwärtigen »Society-Ladys« selbstsüchtige, berechnende, pressegierige Parasiten. Ihr Verantwortungsgefühl war zusammen mit den gebotoxten Fältchen auf ihrer Stirn restlos ausgemerzt worden – und einem unersättlichen Hunger nach Ruhm und Anerkennung gewichen. Verloren gegangen war auch jeder Gedanke daran, zum Gemeinwohl beizutragen, die eigene privilegierte Stellung für etwas Hehreres zu nutzen, als Schuhe zu kaufen oder Handtaschen zu verkaufen. Die Schickimicki-Tussi von heute drängte sich ins Rampenlicht, wo sie nur konnte. Sie nahm und nahm und nahm. Und jetzt, wo ihr Gesicht auf dem Titel von Townhouse prangte, war Cornelia unversehens zum Covergirl einer verirrten neuen Welt geworden.
Wyatt starrte durch das Schaufenster des Hermès-Ladens, und die Verbitterung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er wünschte, alles könnte wieder so sein wie früher. Vielleicht war sein Kumpel Trip ja in der Nähe. Wyatt brauchte dringend einen Drink, oder auch mehrere.
Nachdem er Cornelia im Doubles stehen gelassen hatte, fühlte er sich irgendwie leer und allein. Etwas ganz tief in seinem Inneren – und gleichzeitig etwas sehr Oberflächliches – verlangte, dass er die Welt wieder ins Lot rückte.
2
SIE SIND EINGELADEN
ZUR PRÄSENTATION VON
NOLA SINCLAIRS
Holiday / Resort Collection
MITTWOCH, 2. DEZEMBER
THE ARMORY
643 PARK AVENUE
DIE SHOW BEGINNT UM PUNKT 19 UHR.
DIESE EINLADUNG IST NICHT ÜBERTRAGBAR.
Um Punkt 19 Uhr hastete Lucy Jo Ellis leicht außer Puste aus der U-Bahn-Station East Sixty-Eight Street. Es wäre wohl besser gewesen, mit einer kleinen Verspätung anzutanzen, aber sie hatte es einfach keinen Augenblick mehr zu Hause ausgehalten. Nicht gerade heute, am wichtigsten Abend ihres ganzen Lebens, der ihr in glänzendes Geschenkpapier gewickelt wie das großartigste Präsent aller Zeiten in den Schoß gefallen war.
Ihre große Chance
Weitere Kostenlose Bücher