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Mit Nackten Haenden

Titel: Mit Nackten Haenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simonetta Greggio
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immer zitternden Knien saß ich auf den Stufen, die zum Haus hinaufführten, unter dem Vordach mit den Scheiben voller Klebestreifen, während das Gewitter uns nach wie vor umkreiste, ohne wirklich auszubrechen. Ich folgte ihm mit den Augen, als er sich reckend und streckend aufstand, um mir eine Zigarette aus der Küche zu holen; genauso groß wie ich, hager, mit überlangen Gliedmaßen, wie diese Hunde, die zu schnell gewachsen sind. Ich zupfte gerade ein paar Strähnen zurecht, die sich von meinem Haarknoten gelöst hatten, als er zurückkam und sich vorbeugte, um mir die Zigarette zwischen die Lippen zu schieben; er hatte mich mit erhobenen Armen erwischt, in der Haltung eines Menschen, der sich ergibt. Im Stehen sprach er zu mir, hektisch und nervös, sah mich dabei von oben an, und während er den Mund auf- und zumachte, hatte ich das Gefühl, einen großen Fisch im Aquarium zu betrachten. Ich hörte ihm nicht zu. Ich dachte an Milliarden Dinge. An das letzte Mal, als ich ihn gesehen hatte. An seinen Vater. An seine Mutter. Auch an Mama, über einen merkwürdigen
Umweg. Ich schöpfte wieder Atem und bat ihn, noch einmal von vorn anzufangen. Er nahm seinen letzten Satz auf:
    »Du hast dich nicht verändert, Emma, weißt du das? Du bist genau so, wie ich dich in Erinnerung habe.«
    Obwohl ich kein Wort glaubte, obwohl meine Augen inzwischen von Fältchen umgeben und meine Haare von weißen Fäden durchzogen waren, hatte ich gespürt, dass es für ihn der Wahrheit entsprach. Dass ich noch ein Weilchen dieselbe war, der er als Dreijähriger beteuert hatte: »Ich werde dich seit immer lieben«, dieselbe, die ihn dazu bringen konnte, die widerlichsten Säfte zu schlucken und sich die Zehennägel schneiden zu lassen - etwas, das ihm mehr als alles andere verhasst war. Dieselbe, der er ernsthaft vorgeschlagen hatte zu warten, bis er groß genug war, um sie zu heiraten. Ich hatte mich an die Welle erinnert, die mich durchströmte, als ich ihn das erste Mal im Arm hielt, an seine Stifte und Hefte, seine Schwimmreifen und Feuerwehrautos, und auch daran, wie er abends, vom Spielen müde, an meiner Brust einschlief, sabbernd, mit dem Daumen zwischen den Lippen. All diese ersten Male hatten sich in meinem Gedächtnis entfaltet, während ich ihn jetzt, mit durchgestrecktem Rücken und brummendem Kopf, aufmerksam musterte. Die Form des Mundes, die der Schläfen, die länglichen dunklen Augenbrauen und die exakte Neigung des Wirbels am Hinterkopf waren mir zutiefst vertraut. Ich wusste im Voraus alles über ihn, bis hin zu seinem Geruch, zu seiner Angewohnheit, beim Warten unmerklich zu wippen,
sowie seinem eigentümlichen Selbstvertrauen, ohne Spur von Dreistigkeit oder Unverfrorenheit, das er am Tag seiner Geburt als Geschenk erhalten hatte. Wie hätte ich mit ihm auch weniger vertraut sein können? Giovanni ist die vollkommene Verbindung zweier Wesen, die ich geliebt, verloren und zu vergessen versucht habe, ohne dass es mir jemals restlos gelungen wäre. Ich hatte ihn seit über zehn Jahren nicht mehr gesehen, aber binnen Sekunden war mir jedes Detail seines Gesichts, seines Körpers, seiner Hände wieder gegenwärtig, als hätte ich ihn in all den Jahren keinen einzigen Tag verlassen.
    Seine tiefe Stimme war hingegen ganz neu:
    »Du musst mich ja nicht dabehalten, Emmanuelle. Sag es gleich, wenn du nicht willst, dass ich hierbleibe.«
    Pause, dann hatte er mit zärtlicher Ironie hinzugesetzt: »Ich bin im Handumdrehen wieder weg, wirklich. Wir rufen ein Taxi, ich steige in den nächsten Zug, und damit hat es sich. Aber ich möchte wenigstens heute Abend hierbleiben und genug Zeit haben, dir zu erklären, warum ich gekommen bin. Und danach entscheidest du. Ich werde deine Entscheidung verstehen und respektieren, egal, wie sie ausfällt.«
    »Nenn mich nicht Emmanuelle. Keiner nennt mich mehr so.«
    Er schwieg. »Wie hast du mich gefunden?«, fragte ich ihn.
    »Das war nicht schwer. Internet. Gibt nicht gerade viele Tierärztinnen, die Emma Adriansen heißen.«

    »Hast du deine Eltern angerufen? Wissen sie wenigstens, wo du bist?«
    Er schüttelte den Kopf, ich seufzte. »Dann mach es jetzt, auf der Stelle.«
    »Nicht jetzt«, protestierte er. »Ich bin zu hungrig. Erst essen wir.«
    »Keine Minute Aufschub. Sofort. Und dann gibst du sie mir.«
    Er lächelte spöttisch. »Ich sag’s ja, ganz die alte.«
    Seinen Bauarbeiterstiefeln zum Trotz, den auf Kniehöhe abgeschnittenen Jeans und dem zu weiten T-Shirt wirkte er frisch

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