Mittagessen Nebensache
nichts
anmerken. Ein jüngerer und weniger erfahrener Mann würde bestimmt seine
Enttäuschung gezeigt oder sich für diesen Nachbarn interessiert haben. Mr.
Hutchinson aber blickte lediglich auf seine Uhr und meinte: »Nun, Sie werden
doch gewiß nicht auf sie warten wollen...?«
Ich
atmete auf. Insgeheim hatte ich schon befürchtet, er würde grimmig bis zu Dawns
Rückkehr hocken bleiben, während ich — mir meines vogelscheuchenhaften Aussehens mit immer größerem Unbehagen bewußt werdend — ihm Gesellschaft
leisten und eine gequälte Konversation aufrechterhalten mußte. In diesem
Augenblick wurde mir Gregory Hutchinson im höchsten Maße sympathisch.
»Sie
müssen sich nur noch gedulden, bis ich Ihr Bett hergerichtet habe«, sagte ich
erleichtert, aber zu meiner Überraschung erwiderte er mit einem gewinnenden
Lächeln: »Geben Sie mir die Bettwäsche und gehen Sie ruhig schlafen.
Schließlich ist es eine Zumutung für Sie, so spät am Abend noch einen Gast
aufzunehmen. Sie sind gewiß müde, Mrs. Russell.«
Er
muß ungefähr dreißig sein, dachte ich. Gerade das richtige Alter für Dawn. Und
er ist nett. Kein >schöner Mann< wie David, aber er sieht gut aus, hat
ein tadelloses Benehmen und scheint viel Einfühlungsvermögen zu besitzen. Wie,
um alles in der Welt, mochte sein Verhältnis zu Dawn sein?
»Nun ja, wenn es Ihnen nichts
ausmacht? Aber können Sie denn wirklich ein Bett herrichten?«
Er lachte. »Sollte es denn
überhaupt einen Neuseeländer geben, der kein Bett zu machen versteht? Zeigen
Sie mir das Zimmer und kümmern Sie sich nicht weiter um mich. Im Übrigen möchte
ich Sie nochmals um Entschuldigung bitten für diesen späten Überfall.«
Sein Lachen steckte an. »Ich
muß Sie ebenfalls um Entschuldigung bitten, daß ich Sie in diesem Aufzug
empfangen habe. Dawn würde schamrot, wenn sie mich sehen könnte.«
»Oh, Dawn...!« sagte er nur. Es
klang so, als seien ihre Person oder ihre Ansichten völlig belanglos für ihn.
Ich schrak ein wenig zusammen. Sollte ihm ihre Flatterhaftigkeit zu Bewußtsein gekommen sein? Sollte er sie etwa gar nicht mehr
mögen? Arme Mutter!
Wir wünschten uns gute Nacht,
und ich sah noch, wie er auf recht geschickte Art begann, das Bett zu
überziehen. Anschließend ging ich ins Schlafzimmer und versuchte Paul
wachzurütteln, um ihm zu sagen, wie niederträchtig er sich benommen hatte. Aber
es war vergebliche Liebesmüh. Paul schlief fest — oder gab sich zumindest den
Anschein. Unter ähnlichen Umständen hatte ich schon öfter diese Erfahrung
gemacht.
Ich weiß nicht, wann Dawn
heimkam, jedenfalls war nicht die Spur von ihr zu entdecken, als wir uns zu
dritt an den Frühstückstisch setzten. Paul fand Gregory vom ersten Augenblick
an sympathisch. Kein Wunder, Gregory zeigte sich als glänzender
Gesprächspartner, zeigte Interesse für die Probleme der Landwirtschaft und gab
erstaunlich gesunde Ansichten von sich. Er habe sich stets gewünscht, Farmer zu
werden, bekannte er schließlich. Eigenes Land zu besitzen, über die Felder zu
streifen, während zwei Hunde ihm um die Füße sprangen...
»Aber ich habe rechtzeitig
meine Grenzen erkannt«, schloß er. »Und nun kann ich nur hoffen, daß ich mir
eines Tages, wenn ich mich einmal zur Ruhe setze, ein schönes Landhaus in der
Nähe der Stadt leisten kann.«
Nach dem Frühstück nahm Paul
ihn mit hinaus. Mein Mann schien zu glauben, daß es für unseren Gast nichts
Interessanteres geben konnte als den Anblick unseres neuen hornlosen schwarzen Zuchtbullens . Paul schien es auch gar nicht weiter
aufzufallen, daß von Dawn überhaupt nicht die Rede war.
»Belege ihn nicht den ganzen
Vormittag mit Beschlag«, flüsterte ich ihm in der Küche rasch zu. »Schließlich
ist er gekommen, um Dawn zu besuchen.«
»Ach Dawn...!« erwiderte Paul
im gleichen Tonfall wie Gregory am vergangenen Abend,
In diesem Augenblick
revoltierte meine Weiblichkeit und wurde leidenschaftliche Parteigängerin. Ich
wußte, Dawn war ein kleines Luder, aber das war noch lange kein Grund für ein
paar Männer, in dieser blasierten Art über sie zu sprechen.
In diesem Augenblick erschien
Dawn in der Tür, noch völlig verschlafen. »Mein Gott, Susan, was ist heute morgen eigentlich für ein Lärm im Haus? Ich bin
todmüde. Hast du mich zurückkommen hören?«
»Nein. Aber vielleicht hat
Gregory dich gehört? War es lange nach Mitternacht?«
»Gregory...? Herr des Himmels,
ist Gregory hier? Wieso ist denn der plötzlich aufgetaucht?
Weitere Kostenlose Bücher