Mittagessen Nebensache
nicht wie eine Schönheit aus, aber das war mir im
Augenblick völlig egal und Paul ebenfalls. Wir waren allein, und die ganze
vermaledeite Hochzeit lag hinter uns.
Wir
fühlten uns wohlig müde und so glücklich, daß wir sogar beschlossen, uns taub
zu stellen, als das Telefon schrillte. Es klingelte eine ganze Weile, aber Paul
meinte nur: »Ach, laß nur! Wenigstens dieses eine Mal. Es wird schon nichts
Wichtiges sein. Ich nehme mir jetzt einen Krimi und lege mich ins Bett.«
In
diesem Augenblick schlugen die Hunde an. Das brauchte nichts zu bedeuten haben.
Draußen war heller Mondschein, wahrscheinlich hatte sich eine Kuh auf der nahen
Weide bewegt. Zufrieden döste ich weiter vor mich hin, als etwas Fürchterliches
geschah. Auf der Veranda wurden Schritte laut, und gleich darauf klopfte es an
die Tür.
Erschrocken
fuhr ich hoch. In dieser Aufmachung mochte ich nicht einmal einem Landstreicher
begegnen, und draußen stand bestimmt kein Tramp, der um ein Nachtasyl bat. Auf
Zehenspitzen schlich ich ins Schlafzimmer. Paul schlief, das Licht brannte, und
das Buch ruhte auf seiner Brust. Ich packte ihn am Arm. »Schnell, steh auf! Es
ist jemand an der Tür.« Er grunzte etwas Unverständliches und drehte sich auf
die andere Seite. Es klopfte erneut, diesmal lauter. Ich warf meinem
Spiegelbild einen verzweifelten Blick zu und sah ein, daß mir nichts anderes
übrigbleiben würde, als selbst hinauszugehen. Vielleicht war es doch nur ein
Autofahrer, dem das Benzin ausgegangen war...
Langsam
ging ich den Flur entlang, schaltete das Licht auf der Veranda ein und betete
inständig, daß es nicht zu hell sein möge. Dann öffnete ich die Tür. Ein großer
Mann stand vor mir. Schon beim ersten, flüchtigen Blick sah ich, daß er
tadellos gekleidet war. Er zog einen Hut, wie ihn kein Farmer jemals im Leben
besitzen würde. » Mrs. Russell...? Es tut mir leid,
daß ich so spät komme, aber ich hoffe, Sie haben mein Telegramm erhalten...?«
Als ich ihn nur verständnislos anstarrte, fügte er lächelnd hinzu: »Mein Name
ist Gregory Hutchinson.«
11
Die
nächste halbe Stunde dehnte sich ungemütlich in die Länge. Gregory Hutchinson
war vermutlich noch nie um neun Uhr abends einer Frau begegnet, die so aussah
wie ich — es sei denn, er besaß eine ältere Schwester oder eine unverheiratete
Tante. Er war von einer korrekten Höflichkeit und gab sich ganz den Anschein,
als ob er meine saloppe Aufmachung überhaupt nicht bemerke.
»Ich
hatte Ihnen heute nachmittag ein Telegramm geschickt
für den Fall, daß sie meinen Brief noch nicht erhalten haben sollten«, sagte
er, und ich versicherte ihm, daß ich weder das eine noch das andere bekommen
hätte. »Aber bitte, das macht doch nichts«, fügte ich hinzu.
»Zumindest
das Telegramm hätten Sie bekommen müssen«, erwiderte er. »Ich verstehe das nicht
— ich habe es gegen vier aufgegeben. Dummerweise kam mir eine Reifenpanne
dazwischen, so daß ich nicht mehr rechtzeitig eintreffen konnte.«
Inzwischen
hatte ich Kaffee gekocht. Wir saßen vor dem Kamin und waren bemüht, unserer
Konversation den Anschein von Ungezwungenheit zu geben. Im stillen verwünschte
ich mich und Paul. Miss Adams versuchte stets, ein Telegramm unter allen
Umständen durchzugeben, aber dieses >eine Mal< hatten wir uns taub
gestellt, als das Telefon klingelte. Diesen Leichtsinn mußte ich jetzt
ausbaden.
»Wir
waren zu einer Hochzeit eingeladen und kamen erst gegen sieben zurück«,
murmelte ich und ließ die Angelegenheit damit auf sich beruhen. »Aber haben Sie
denn eigentlich schon zu Abend gegessen?« fügte ich hastig hinzu.
»Ja,
in der Stadt. Das hat mich nochmals aufgehalten. Die Leute im Hotel gaben sich
zwar alle Mühe, aber es ging ziemlich drunter und drüber, weil dort gerade eine
größere Feier stattfand.«
Allerdings.
Die Hochzeitsfeier nämlich, bei der Dawn sich im Augenblick wahrscheinlich
köstlich amüsierte. Seltsam — er hatte meine Schwester bisher mit keiner Silbe
erwähnt. Glaubte er vielleicht, sie hätte sich im Bett verkrochen?
»Dawn
ist heute abend nicht hier«, erklärte ich darum
schnell. »Die Tochter einer uns befreundeten Familie feiert Hochzeit, und man
hat Dawn gebeten, noch ein wenig mitzumachen. Einer unserer Nachbarn wird sie
nach Hause bringen.«
Ich
hoffte, meinen Worten war zu entnehmen, daß dieser >Nachbar< die
vorzüglichste Anstandsdame für Dawn abgab.
Aber
das schien ihn gar nicht weiter zu beeindrucken, zumindest ließ er sich
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