Mittagessen Nebensache
Und ich sehe zum
Fürchten aus! Aber macht nichts, ich verschwinde wieder ins Bett.« Damit
rauschte sie hinaus, knallte die Tür hinter sich zu und blieb eine ganze Weile
unsichtbar.
Aber sie ging nicht wieder ins
Bett. Statt dessen machte sie lange und ausgiebig Toilette. Schließlich tauchte
sie wieder auf in ihrem einfachsten, sehr streng geschnittenen Kleid. Ihr
Gesicht zeigte eine interessante Blässe. Während sie Toast aß und sehr viel
Kaffee dazu trank, murmelte sie: »Ich möchte bloß wissen, ob er mich gehört
hat. Es war gegen vier Uhr. Und wenn schon! Schließlich bin ich kein Kind mehr.
Ich lasse mir keine Vorschriften machen.«
Aber ich hatte doch den
Eindruck, daß sie etwas enttäuscht war, als Gregory sich später jeder Äußerung
enthielt.
Er blieb drei Tage und fuhr am
Samstag in aller Frühe wieder ab, obwohl Dawn ihn ausdrücklich darauf hinwies,
er könne doch übers Wochenende keinerlei geschäftliche Angelegenheiten mehr
erledigen. Sie stand nicht einmal auf, um ihm Lebewohl zu sagen, und dabei
waren sie am Vorabend nicht eine Sekunde allein geblieben, obwohl ich Paul um
zehn Uhr endlich dazu gebracht hatte, sich mit mir zurückzuziehen.
Sofort hatte sich Gregory
ebenfalls erhoben. »Das ist eine ausgezeichnete Idee. Ich habe morgen eine
lange Fahrt vor mir.« Mir war Dawns ärgerliche Verwunderung nicht entgangen.
Innerlich freute ich mich über diese Abfuhr, gleichzeitig aber fand ich es
natürlich bedauerlich, daß mein ermüdendes Schwesterlein anscheinend wohl doch
nicht mehr die geringste Chance besaß, in einem so sicheren und zuverlässigen
Ehehafen zu landen. In den wenigen Tagen war Gregory uns so sympathisch
geworden, daß ich zu meiner Schande gestehen muß, mit Paul völlig darin einig
zu gehen, als dieser kurz feststellte: »Ein netter Bursche. Viel zu nett für
Dawn.«
Während der ersten
ungemütlichen halben Stunde war er mir reichlich konventionell erschienen, aber
wir hatten uns inzwischen überzeugen können, daß er einen feinen Sinn für Humor
besaß und mit einer Menge liebenswerter Eigenschaften ausgestattet war. Er
verstand es großartig, mit den Kindern umzugehen, und war mir im Haus eine
größere Hilfe als Dawn. Larry war unter einem fadenscheinigen Vorwand
aufgekreuzt, um ihn sich anzusehen, und zeigte sich ganz begeistert. »Wirklich,
das wäre eine wunderbare Lösung, und du könntest alle Sorgen über Bord werfen —
ganz zu schweigen von deiner Mutter. Aber ich bezweifle, daß etwas daraus
wird.«
Ich bezweifelte es ebenfalls.
Dawn hatte sich viel Mühe gegeben, während dieser drei Tage besonders anziehend
auszusehen, aber sich gleichzeitig so kindisch benommen, daß ich manchmal
geradezu entsezt war. Vor seinen Augen hatte sie mit
ihren Eroberungen geflirtet und ihn selbst unfreundlich und patzig behandelt.
Ob Gregory sich lediglich darüber amüsierte oder innerlich die Konsequenzen aus
diesem Verhalten zog, konnten weder Paul noch ich erraten. Er zeigte sich uns
gegenüber — Dawn eingeschlossen — von einer gleichbleibenden, liebenswürdigen
Freundlichkeit.
»Auf Wiedersehen, Susan. Sie
haben mich überaus herzlich aufgenommen, anstatt mich zum Teufel zu wünschen«,
sagte er zum Abschied.
»Und Sie haben taktvollerweise
meine abschreckende Aufmachung übersehen. Auf Wiedersehen, Gregory. Kommen Sie
bald wieder. Dawn ist ja noch fast sechs Monate bei uns.«
»Ich komme bestimmt wieder,
aber wahrscheinlich erst nach Ablauf dieser sechs Monate.«
Nanu, was soll das heißen?
Hatte Dawn ihm einen Korb gegeben, so daß er ihr aus dem Weg gehen wollte? Aber
er machte wirklich keinen deprimierten Eindruck. Dann sollte diese merkwürdige
Formulierung wohl eher als die höfliche Andeutung verstanden werden, daß Dawn
doch nicht die passende Frau für einen zielstrebigen Rechtsanwalt sei. Das wäre
natürlich ein Jammer, aber die Schuld an dieser Entwicklung trüge einzig und
allein mein unglückliches Schwesterlein.
Aber sie schien absolut nicht
unglücklich zu sein. Wenn Gregory ein stilles Wasser sein sollte, dann war Dawn
ein trübes und undurchsichtiges. Unter ihrer Maske von Leichtfertigkeit verbarg
sie eine gehörige Portion Zurückhaltung. Sobald jemand ernstlich auf Gregory
anspielte, tat sie völlig desinteressiert. Nicht ein einziges Mal nahm sie mich
beiseite, um meine Meinung über ihn zu hören, und selbst Larry erntete nur ein
gelangweiltes Gähnen, als sie einmal auf den Busch klopfte. »Er ist ja so
ungeheuer anstrengend, Darling.
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