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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Entwicklung der Radartechnologie meilenweit hinter uns herhinkt.«
    »Halten Sie diese Einschätzung für glaubwürdig?«
    »Nein.« Die Deckenlichter gingen an. Churchill trug einen Abendanzug, hatte allerdings das Jackett abgelegt. Er war immer nach der
    Mode gekleidet, doch sein Gesicht war von Müdigkeit gezeichnet. Aus seiner Westentasche zog er einen zusammengefalteten Bogen aus dünnem Durchschlagpapier. »Hier«, sagte er und reichte Hoare den Zettel, »das ist ein Hinweis.«
    Hoare studierte den Text. Es handelte sich allem Anschein nach um die dekodierte Abschrift eines Funkspruchs der Luftwaffe, auf Deutsch und auf Englisch. Die neue Strategie der Luftwaffe – »Dunkle Nachtjagd« – sei von einem triumphalen Erfolg gekrönt worden, hieß es in der Botschaft, und zwar »dank der hervorragenden Informationen von Freya«. Hoare las die Nachricht noch einmal durch, erst die englische und dann die deutsche Version. »Freya« war ein Wort, das ihm in keiner der beiden Sprachen etwas sagte. »Was soll das heißen?«, fragte er.
    »Finden Sie‘s raus. Das ist genau das, was ich von Ihnen will.« Churchill erhob sich und schlüpfte in sein Jackett. »Begleiten Sie mich zurück«, sagte er und rief, als sie den Kinosaal verließen: »Vielen Dank!«
    Aus der Kabine des Filmvorführers antwortete eine Stimme: »War mir ein Vergnügen, Sir!«
    Auf dem Weg durchs Haus schlossen sich ihnen zwei Männer an und folgten ihnen: Inspektor Thompson von Scotland Yard und Churchills persönlicher Leibwächter. Auf dem Paradeplatz vor dem Haus kamen sie an einer Gruppe von Leuten vorbei, die damit beschäftigt waren, einen Fesselballon startklar zu machen. Durch ein Tor in dem Stacheldrahtverhau, der das Gelände umschloss, erreichten sie die Straße. London war verdunkelt, doch das Licht der aufgehenden Mondsichel war so stark, dass sie sich problemlos orientieren konnten.
    Über die Horse Guards Parade gelangten sie zu Nr. 1, Storey‘s Gate. Der rückwärtige Teil von Number Ten, Downing Street, dem traditionellen Wohnsitz der englischen Premierminister, war durch einen Bombentreffer beschädigt worden; deshalb lebte Churchill jetzt in einem nahe gelegenen Anbau über dem Lagezentrum des Kabinetts. Den Eingang schützte eine bombensichere Mauer. Durch eine Schießscharte ragte der Lauf eines Maschinengewehrs.
    »Gute Nacht, Sir«, sagte Hoare.
    »So kann es nicht weitergehen«, sagte Churchill. »Bei diesen Verlustraten ist das Bomber Command bis Weihnachten erledigt. Ich muss wissen, wer oder was Freya ist.«
    »Ich werde es herausfinden.«
    »Tun Sie das – und zwar so schnell wie möglich.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Gute Nacht«, sagte der Premierminister und betrat das Haus.

Teil 1
    A m letzten Tag des Monats Mai im Jahr 1941 war auf den Straßen von Morlunde, einer Stadt an der Westküste Dänemarks, ein seltsames Gefährt zu beobachten.
    Es handelte sich um ein dänisches Nimbus-Motorrad mit Beiwagen. Allein dies wäre schon ein ungewöhnlicher Anblick gewesen, gab es doch außer für Ärzte, die Polizei und – natürlich – die deutschen Besatzungstruppen kein Benzin. Hinzu kam jedoch, dass diese Nimbus umgebaut worden war. Der Vierzylinder-Benzinmotor war durch eine Dampfmaschine ersetzt worden, die aus einem abgewrackten Flussboot stammte. Der Beifahrersitz war entfernt worden, um Platz für Dampfkessel, Feuerbüchse und Schornstein zu schaffen. Der Ersatzmotor war nicht sehr leistungsstark, weshalb die Höchstgeschwindigkeit des Gefährts nur bei ungefähr 35 km/h lag. Und anstelle eines motorradtypisch röhrenden Auspuffs war nur das sanft zischende Entweichen von Dampf zu vernehmen. Die unheimlich leisen Fahrtgeräusche und die Langsamkeit verliehen dem Vehikel eine Art gravitätische Würde.
    Im Sattel saß Harald Olufsen, ein hoch gewachsener junger Mann von achtzehn Jahren mit makelloser Haut und aus hoher Stirn zurückgekämmten blonden Haaren. Er sah aus wie ein Wikinger in Schuluniform. Ein Jahr lang hatte er für die Nimbus gespart – sie kostete ihn sechshundert Kronen -, doch einen Tag nachdem sie endlich in seinen Besitz übergegangen war, hatten die Deutschen die strengen Benzinrestriktionen eingeführt.
    Harald hatte sich darüber maßlos aufgeregt. Woher nahmen die sich das Recht dazu?
    Aber er war weniger zum Jammern denn zum Handeln erzogen worden. Der Umbau des Motorrads hatte ihn ein weiteres Jahr gekostet: Alle Schulferien und jede freie Minute, die ihm neben der Vorbereitung auf die

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