Mitternachtsfantasie
raste. „Sind Sie sicher, dass ich es war?“
Effie verzog das Gesicht. „Na ja, so sicher, wie ich sein kann, obwohl die Magnolienbäume mir die Sicht versperrt haben, bevor ich genau erkennen konnte, in welches Auto du gestiegen bist. Aber ich könnte schwören, dass es dieser Stringer-Frau gehört.“
Lieber Himmel! dachte Amelia. Wenn Effie gesehen hat, wie ich in das Auto gestiegen bin, muss sie mit einem Fernglas oben am Fenster gestanden haben. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie Sie darauf kommen, dass ich das war“, sagte sie.
Vielleicht weil ich dich aus deinem Haus habe kommen sehen, dachte Effie, sprach es aber nicht aus.
Amelia blickte auf ihre Liste. „Es war nett, Sie zu treffen, Miss Effie, aber ich muss mich beeilen. Tante Witty wartet auf mich.“
Sie schob ihren Wagen schnell in eine andere Reihe und ließ Effie mit offenem Mund zurück.
„Na so was!“, schnaubte Effie. „Ich erkenne es, wenn man mich anlügt.“
Sie ging zu ihrem eigenen Einkaufswagen zurück. Dann griff sie nach zwei Kekspackungen, ohne sich daran zu erinnern, dass sie eben noch selbst welche hatte backen wollen, und eilte zur Kasse. Jetzt hatte sie einiges zu tun und Leute zu treffen.
Es gelang Amelia, die Einkäufe zu erledigen, ohne durchzudrehen. Aber sie spürte Miss Effies bohrenden Blick in ihrem Nacken, während sie bezahlte. Ohne sich noch einmal umzudrehen, lief sie mit ihrer Tüte zur Tür.
Sie trat auf die Straße hinaus, und ihr war vage bewusst, dass ein Hindernis vor ihr war, aber es war zu spät, um noch zu reagieren. Sie prallte gegen den Mann, der gerade hinein wollte.
Unwillkürlich klammerten sie sich aneinander, dabei ließ Amelia ihre Tüte fallen. Ihre Brille rutschte ihr von der Nase und Tyler verlor die Mütze. Amelia griff nach der Tüte und beobachtete entsetzt, wie ihre Hornbrille auf den Eiern landete. Statt der Tüte bekam sie Tylers Gürtelschnalle zu fassen.
„Verdammt“, murmelte sie und bückte sich.
Tyler war in Gedanken gewesen und hatte Amelia erst im letzten Moment bemerkt. Diese Frau schien auf Selbstzerstörung aus zu sein, doch er hatte nicht die Absicht, die Mauer zu sein, an der sie sich umbrachte.
„Achtung!“, rief er und griff nach der automatischen Tür, die dabei war, sich wieder zu schließen. Er wollte nicht, dass Amelia eingequetscht wurde.
Unwillkürlich griff er nach ihrem Haar, während sie sich nach der Tüte bückte. Doch je mehr er Amelia helfen wollte, umso verzwickter wurde die Situation. Bevor er wusste, was geschah, hatte sie sowohl die Tüte als auch seine Knie zu fassen bekommen. Verärgert und peinlich berührt blickte er nach unten und vergaß augenblicklich seinen Groll.
Ihr Haar! Es war herrlich – und so vertraut. Das Sonnenlicht schien auf die langen kastanienbraunen Locken, die Amelia über die Schultern fielen. Tyler atmete tief ein. Er war versucht, sich hinzuknien und mit den Fingern durch diese rötlich braune Mähne zu fahren.
Als Amelia in dem Moment zu ihm aufschaute, erstarrte er. Diese Augen! Dieses bezaubernde Blaugrün hatte er schon früher gesehen. Am Abend auf dem Schaufelraddampfer. Und im „Old South“. Nur hatten sie da zu einer Frau namens Amber gehört.
Amelia sah auf und geriet in Panik. Lieber Himmel, es war Tyler!
Entsetzt zog sie den Kopf ein und fummelte wild zwischen den Lebensmitteln herum, um ihre Brille zu finden. Sie setzte sie auf und nahm mit zitternden Händen ihr Haar zusammen. Ein undeutliches „Danke“ war alles, was sie herausbrachte, als Tyler ihre Haarnadeln vom Boden aufhob und sie ihr reichte.
Tyler sah zu, wie Amelia ihre Sachen wieder in die Tüte stopfte. Dann rannte sie zu ihrem Auto, startete und fuhr so schnell davon, dass sie eine Staubwolke aufwirbelte.
Tyler stieg das Blut in den Kopf. Er wusste nicht, ob er sich hinsetzen oder Amelia folgen sollte. Dann beobachtete er, wie Effie Dettenberg aus dem Laden kam und einen weiten Bogen um ihn machte.
„Ich würde ja glauben, ich hätte das geträumt“, murmelte Tyler. „Aber Miss Effie ist noch nie in meinen Träumen vorgekommen. Nur eine Frau namens Amber.“
Er schob die Hände in die Taschen und begann zu lächeln, erst nur leicht, dann immer breiter. „Verdammt, ich glaube, ich habe dich gerade gefunden, Liebling. Ich weiß ja nicht, was du da für ein Spiel spielst, aber jetzt ist es vorbei.“
Plötzlich begann er zu lachen. Anscheinend hatte er sich in die altjüngferliche Nichte der Beauchamp-Schwestern verliebt.
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