MK Boeckelberg
interessieren Ihre taktischen Überlegungen herzlich wenig. Das müssen Sie mit Ihrer geschätzten Queen ausmachen. Ich habe hier in Möchengladbach derzeit vier Mordfälle aufzuklären, die mit Sicherheit miteinander verknüpft sind. Und da kommen Sie daher und ziehen zunächst mit Hinweis auf das Nato-Truppenstatut die Ermittlungen im Fall des Jungen an sich, um dann am Ende den Fall doch an uns abzutreten.«
Colonel Barry Digby verzog als einzige Regung kaum merklich seine rechte Augenbraue. »So sind die Vorschriften. Die im übrigen auch mit Zustimmung Ihrer Regierung aufgestellt wurden. Das mögen Sie bedauern, aber so ist das nun mal. Ich hätte es mir auch einfacher gewünscht. Außerdem, ich betone es noch einmal ausdrücklich: Entschieden ist noch überhaupt nichts. Weder im tragischen und entsetzlichen Fall des kleinen Jungen, wie im Fall der Regierungsüberlegungen. Das sind derzeit nicht mehr als Planspiele. Aber ich hielt es für meine Pflicht, Sie darüber in Kenntnis zu setzen.«
»Das haben Sie hiermit getan. Und jetzt?« Der Unterton in Eckis Stimme war deutlich sarkastisch.
»Ich würde Ihnen lieber heute als morgen die Identität des Kindes liefern. Das können Sie mir glauben. Wir haben auch schon über unsere Kontaktleute mit Ihren Kollegen von den Nachrichtendiensten konferiert. Auch das sollte ich Ihnen eigentlich nicht sagen. Aber auch dort konnte man uns, und damit meine ich auch Sie beide, meine Herren, nicht helfen. Es scheint, dass der Junge ein Phantom ist. Und nur als Toter existiert, um es einmal so zu formulieren. Es ist hart, das zu akzeptieren. Aber es hat den Anschein, dass das Leben des Kindes irgendwann weggeworfen wurde, wie man einen getragenen Pullover ablegt. Wie gesagt, es gibt Menschen, für die ein Menschenleben nichts zählt. Daran werden Sie und ich nichts ändern.«
Die für einen Offizier ungewohnt offenen Worte machten Frank und Ecki betroffen. Schweigend sahen sie den Colonel an.
»Solange unsere Juristen keine Entscheidung getroffen haben und solange ich noch nicht meine Koffer gepackt habe, werde ich alles Erdenkliche tun, um Sie bei Ihren Ermittlungen zu unterstützen. Das müssen Sie mir glauben, meine Herren.«
Nachdem der britische Offizier gegangen war, blieb es eine Weile still im Büro der beiden Kommissare. Der Besuch des Colonels hatte ihnen erneut vor Augen geführt, wie dünn der Grat war zwischen Ermittlungserfolg und schmerzlicher Niederlage.
»Wir werden die Identität des Jungen klären, so wahr ich hier sitze.« Aus Franks Worten klang mehr Verzweiflung als Zuversicht.
»Klar.« Auch Ecki stand noch ganz unter dem Eindruck des Besuchs. »Nur, mir sind die Ideen ausgegangen. Wo sollen wir noch nach den Eltern des Jungen suchen? Die Veröffentlichung der Fotos, hier und im Vereinigten Königreich, haben nichts gebracht. Niemand scheint den Jungen zu vermissen. Dabei muss das Kind aus einigermaßen geordneten Verhältnissen gekommen sein. Keine Anzeichen von schlechter Ernährung oder Verwahrlosung. Bloß, dass es zum Zeitpunkt seines Todes sediert war. Wer hat ihm die Drogen eingeflößt, bevor er sterben musste?«
»Vielleicht leben die Eltern ja nicht mehr. Verunglückt. Irgendwo in Europa. Und niemand weiß von der Existenz des Jungen und sucht ihn demzufolge auch nicht.«
Es klopfte.
Hünner! Natürlich, auf ihn hatten sie gewartet.
Es war in der Tat Daniel C. Hünner. Er hatte sich von seiner Sekretärin ins Präsidium bringen lassen, wie er den Beamten erklärte. Der Unternehmer sah übernächtigt aus. Aber er war immerhin frisch rasiert, und auch sein Anzug saß wie gewohnt tadellos. Im Raum machte sich der Geruch eines herben Herrendufts breit. Der Unternehmer machte nicht mehr den gebrochenen Eindruck vom Vorabend. Er sah angestrengt aus, aber keineswegs so, als sei er psychisch am Ende.
»Bitte setzen Sie sich doch. Haben Sie etwas dagegen, wenn wir die Befragung hier im Büro durchführen?« Frank wies mit einer Hand auf den Stuhl, auf dem vorhin Colonel Digby gesessen hatte.
»Kein Problem, meine Herren. Nur zu. Ich bin vorbereitet.« Auf Hünners Gesicht zeigte sich ein dünnes Lächeln.
Nachdem Ecki das Aufnahmegerät aus dem Vernehmungszimmer geholt und vor Hünner aufgebaut hatte, sprach Frank zunächst die vorgeschriebenen Formalien und Informationen auf das Band.
Hünner verfolgte interessiert die Vorbereitungen seiner Vernehmung. Er hatte sein Jackett aufgeknöpft und saß nun betont gelassen vor den beiden
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