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Mobile Röntgenstationen - Roman

Mobile Röntgenstationen - Roman

Titel: Mobile Röntgenstationen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ATHENA-Verlag e. K.
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meine verstorbene Tante sagen, wie viele unschuldige Menschen sind umgekommen, wurden überfallen, erstochen, überfahren! Und, klar, sie hätte Recht gehabt. Auf ihre Art Recht gehabt. Alle, die du genannt hast, so würde sie behaupten, wenn sie noch am Leben wäre, waren doch verdammte Säufer, Selbstmörder, Schizophrene, mit einem Wort, nicht normal ! Und hätte wieder Recht gehabt, wie in ihrem ganzen langen Leben. Aber mir erschienen sie aus irgendeinem Grund als Märtyrer. Wie viele unschuldige Menschen habe allein die Schwindsucht dahingerafft, so meine ewig Recht habende Tante. Es ist wahr, sie wurde zu Beginn des Jahrhunderts geboren und hat so manches mit ansehen müssen. Aber ich behaupte: Alle sind sie Märtyrer, wie auch eine große Zahl derer, die unerkannt dahingegangen sind. Nur werden sie schon nicht mehr in Wettbewerb treten ob der Größe ihres Leidens, ihrer Hochherzigkeit oder ihrer Bedeutung für die Menschheit. Sie werden nicht darum bitten, von Kanonikern selig oder gar heilig gesprochen zu werden. Solche wie sie brauchten stets Berater, Schutzpatrone, entschiedene und furchtlose Wegbereiter. Ich jedoch, leider, gleiche denen nicht im Entferntesten. Andererseits: Jeanne d’Arc zum Beispiel musste lange Jahrhunderte warten, bis … Aber was vergleiche ich hier! Meine Märtyrer werden niemals populär werden und die Massen beeindrucken, nicht einmal der arme kleine Povilas. Solche wie sie gab und gibt es doch zuhauf. Vielleicht hatten auch sie Visionen, Erhebungen, Durchblicke, nur wird das niemand mehr erfahren. Heilige müssen zudem ein wenig Furcht erregend, auch nicht ganz zu begreifen sein, das Personal meiner Erzählung hingegen ist durchsichtig wie das erste Eis auf dem See. Schon sehr dem Nullzyklus angepasst, und das ist dasselbe wie ein flacher, zugeschneiter, niemandem hinderlicher Platz auf einem brachliegenden Gelände.
    Ich wiederhole: Jeder hat seinen Nullzyklus , der nur ihm gehört, und seinen Willen – den Bau zu beginnen oder alles zu konservieren. In diesem Zyklus, von dem aus alle anderen Arbeiten ihren Anfang nehmen, findet sich von jedem ein bisschen: rostiges Eisen und Kupfer, Goldstaub, Hunde, Rinder- und Menschenknochen, allerhand Plunder, Reste von Dingen, über die wir schon niemals mehr etwas erfahren werden. Vielleicht stößt man auch auf Blindgänger, eine Mine oder ein Artilleriegeschoss. Dann muss ein Sprengkommando ran. Doch andere Entdeckungen sind es wert, von Archäologen begutachtet zu werden. Die sind nicht besonders erwünscht: Sie behindern die laufenden Arbeiten, streiten sich um jede Scherbe, schließlich werden sie, nachdem sie alles durcheinandergebracht haben, davongejagt. Aber auch wer selbst gräbt, geht möglicherweise leer aus, das passiert nicht selten. Nichts als Gräser, Maulwurfsgänge, Äste, Lehmbatzen, Geröll, heller oder dunkler Sand, das Material eben, aus dem das dahinschleichende, durchschnittliche und langweilige Leben gemacht ist. Aber wenn man auf ein Sapropel [5] stößt, dann bedeutet das schon etwas. Ein Sapropel ist eine Hoffnung, Entdeckungen zu machen. Dann war dein Viertel doch nicht hohl und leer. Schmutzig, blutig, übel riechend, mag sein, aber nicht hohl und leer. Auch träger Sand, ein toter Käfer, ein seltsam geformter Kiesel haben ein Recht, darin zu existieren. Doch wenn man auf massivere Dinge stößt, eine alte Truhe etwa, sollte man sich nicht zu früh freuen und Hurra schreien. Irgendein Knopf oder eine Geschosshülse kann hundertmal wichtiger sein als wertloses Geld oder von Patina zerfressener Schmuck, den man dir sowieso wegnimmt. Denn die Leute haben noch dieselben langen Zungen wie vor einem Vierteljahrhundert. Zumindest dieses Jahrhunderts, das nicht nur nach frischem Honig duftet, sondern auch wie Katzenscheiße stinkt.
    Aber vielleicht ist es auch für mich selbst Zeit zu beginnen, denn neue Freunde werden sich kaum noch einfinden, und die alten erschrecken einen immer häufiger mit einem finalen Scherz: Ohne jede Vorwarnung begeben sie sich dorthin, wohin es schon vor vielen Jahren den kleinen Povilas verschlug, den Philologen und Kellner Šarlis, die Verse schmiedende Mika, den Saxophonisten Henrikas und andere, die hier nicht namentlich aufzuführen sind. Und alle einzeln, jeder für sich. Vielleicht wäre es in der Gruppe angenehmer gewesen? Man hätte ein paar Worte gewechselt, eine Selbstgedrehte herumgehen lassen. Wohl kaum. Jener Scherz ist finster genug, und er ist unwiderruflich. Da kommt

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