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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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Türen geschlossen hätte, hätte er Marvins Spektakel gar nicht hören können, aber er schloss die Türen nicht, weil er Punkte sammelte, wie er es nannte. Punkt für Punkt listete er dann in Schreiben an die Hausverwaltung auf, sogar an die Stadtverwaltung hatte er schon geschrieben. Auch Uplegger bekam von ihm Briefe, in denen er mit Anwälten drohte, die er nicht hatte, mit der Polizei, mit dem Gericht. Uplegger beantwortete diese arrogant formulierten Schreiben stets nur mit dem einen Satz, dem er eine Reihe von Aktenzeichen folgen ließ: »Laut höchstrichterlicher Rechtssprechung gehören die durch Kinderspiel verursachten Geräusche zu den normalen Wohngeräuschen.«
    Leider hatte er einmal nicht aufgepasst und einen seiner Briefe offen liegen gelassen. Immer, wenn er nun seinen Sprössling aufforderte, doch bitte leiser zu sein, brachte dieser seine eigenen Waffen in Stellung. Die Aktenzeichen hatte er im Kopf.
    »Papa, es ist voll endgeil, wenn der Typ mir auf der Treppe begegnet und so aussieht, als wenn er mir eine reinhauen will. Aber er traut sich nicht, sagt ja nicht mal was. Und wie der rumläuft! Hast du mal die Pissflecken …?«
    »Marvin! Wir sind hier nicht auf dem Bau!«
    »Der säuft doch! Wie deine Kollegin!«
    »Marvin, es steht dir nicht an, solche Urteile abzugeben.« Uplegger lehnte sich an den Schreibtisch, fixierte den Blick seines Jungen. Der hielt stand, und es war Uplegger, der nach einer Weile zu Boden schaute. »Ich habe dir doch erklärt, dass Sucht eine Krankheit ist. Niemand möchte Alkoholiker werden. Außerdem, du bist doch auch süchtig – nach diesen fürchterlichen Ballerspielen. Ich habe nichts dagegen, wenn du dich ihnen mal für eine halbe Stunde widmest, aber das geht nun schon den halben Tag.«
    »Wie immer, Papa, du übertreibst.« Marvin legte den Controller aus der Hand, zog die Beine an und fingerte sein Handy vom Schreibtisch. Er klappte es auf und betrachtete die Anzeige. »Ich bin erst vor ’ner Stunde nach Hause gekommen. Vom Training, Papa. Und vorher war ich beim Chor. Geht wieder los mit dem Adventsgesinge!« Er verzog das Gesicht. »Ach so, ja, am nächsten Sonntag spielen wir gegen Hansa .«
    »Wer? Der Chor?«
    »Quatsch!« Marvin schüttelte leicht den Kopf. »Wir spielen in der Halle in Marienehe, nicht auf dem Platz. Fußball für Weicheier. Kommst du trotzdem?«
    Uplegger nickte. Dass der Junge im Chor von St. Johannis sang, war ein Vermächtnis seiner Mutter, die vor zwei Jahren bei einem Verkehrsunfall umgekommen war. Uplegger wusste, dass er eigentlich keine Lust mehr hatte, es aber nicht wagte, mit dem Singen Schluss zu machen, denn das wäre ihm wie ein Verrat vorgekommen. Das Fußballspielen hingegen hatte er sich selbst ausgesucht, schon als Vorschüler. Sein sportliches Talent berechtigte nicht zu besonderen Hoffnungen, während der Kantor auf seine Stimme große Stücke hielt. Allerdings hatte sie zu brechen begonnen, und der Sopran wechselte immer häufiger mal zum Fisteln und mal zum Bariton.
    Im Wohnzimmer klingelte das Telefon und beendete den bescheidenen Erziehungsversuch. Uplegger stieß sich mit beiden Händen vom Schreibtisch ab.
    »Schularbeiten?«, fragte er noch.
    »Längst fertig. War bloß was in Deutsch. Kleinigkeit!« Marvin winkte ab. Alles, was die Schule betraf, war für ihn mit geringer Anstrengung verbunden. Wie man sagte: Es flog ihm zu. Zumindest in dieser Hinsicht musste sich Uplegger keine Sorgen machen. Marvin war zwar nicht der Primus, wurde aber von seinen Lehrern ins obere Mittelfeld eingeordnet, was immer das bedeuten mochte. Er selbst sah sich übrigens im unteren Spitzenfeld.
    »Noch was, Papa«, sagte Marvin, bevor Uplegger das Zimmer verlassen konnte. »Du weißt vielleicht, dass ich in drei Wochen Geburtstag habe …«
    »Klar. Steht in meinem Terminkalender.«
    »Krieg ich ein iPhone?«
    Uplegger hielt inne. »Wozu brauchst du das? Du hast doch ein Handy.«
    »Wozu?« Marvin runzelte die Stirn. »Papa, jeder hat ein Smartphone. Handy ist neunzehntes Jahrhundert.«
    »Ich hab keins«, sagte Uplegger. Der Anrufer war hartnäckig, und nun begann auch das Mobiltelefon auf dem Wohnzimmertisch zu maulen. »Bin ich auch neunzehntes Jahrhundert?«
    »Nee, Antike.« Marvin wandte sich ab und langte nach dem Controller. Uplegger machte, dass er fortkam.
    Auf dem Weg ins Wohnzimmer atmete er tief durch. Er ahnte, wer sich am anderen Ende befand: die Leitstelle des Polizeipräsidiums, denn er hatte Bereitschaft.
    Der

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