Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
Autorin und Werk
Steventon in Hampshire, eine gute Woche vor dem Weihnachtsfest des Jahres 1775: Fußstapfen führen über den verschneiten Rasen zum zweistöckigen Pfarrhaus der Ortschaft. Dort leben William George Austen, seine Frau Cassandra und die sechs Kinder. Die Brüder werfen Schneebälle in die frostglitzernden Baumkronen vor dem Haus. Kommen die Kinder fröhlich und verfroren zur Tür herein, empfängt sie der Duft des Holzfeuers – aber heute müssen sie still sein. Vater William kann sich nicht auf seine Gedanken zur Weihnachtspredigt konzentrieren, denn Mutter Cassandra liegt in den Wehen.
Becoming Jane
Jane Austen wird am 16. Dezember 1775 geboren, als siebentes Kind der Pfarrersfamilie. Sie ist das zweite Mädchen und wird ihrer Schwester Cassandra lebenslang eng verbunden sein. Leider vernichtet Cassandra die meisten Briefe ihrer jüngeren Schwester nach deren frühem Tod, weshalb über die große Dame der englischen Literatur nicht allzu viel bekannt ist.
Die Eltern legen viel Wert auf Bildung; das Haus beherbergt eine große Bibliothek, die ständig erweitert wird und den Kindern zugänglich ist. Jane ist bereits recht belesen, als sie im Alter von zwölf Jahren selbst zu schreiben beginnt. Die junge Dame verfasst bevorzugt scharfzüngige Kurzromane und Theaterstücke, lässt einige Arbeiten jedoch unvollendet oder wird sie später wieder aufgreifen. Thematisch ist sie von Beginn an ihrer Sache sicher: Das England des Regency mit seinen sozialen Sitten, insbesondere mit der abhängigen Stellung der Frau, wird von ihr satirisch kritisiert.
Nach dem Umzug nach Bath, wo die Familie bis 1805 lebt, entstehen wenige Werke – zumindest wird das angenommen. Als der Vater verstorben ist, lassen sich Mutter Austen und die beiden Schwestern in Southampton nieder, bevor sie 1809 nach Chawton ziehen. In dem dortigen Landhaus wohnt Jane Austen, gemeinsam mit ihrer Schwester und einer Freundin, bis zu ihrem Tod.
Belegt ist, dass Jane im Jahr 1802 einen Heiratsantrag ablehnt; ob ihr weitere Avancen gemacht werden, ist unbekannt. Möglicherweise ist es ihre bewusste Entscheidung, unverheiratet zu bleiben. Dass sie ihre ganz eigene Sichtweise bezüglich dieser Frage hat, belegen ihre Romane, in denen die Protagonistinnen zwar letztendlich die Ehe eingehen, sich den Entschluss jedoch niemals leicht machen. Die Herausforderung ist in der Abhängigkeit begründet, worin Frauen entweder durch einen Ehegatten versorgt werden oder lebenslang auf wohlmeinende Verwandte angewiesen sind. Jane und ihre Schwester, die ebenfalls unverheiratet ist, erfahren das selbst, als sie nach Chawton ziehen. Ihr dortiges Wohnhaus gehört einem ihrer Brüder. Für geachtete Bürgerinnen aus wohlhabendem Hause ist es zu jener Zeit undenkbar, den eigenen Lebensunterhalt zu erarbeiten – Janes Existenz als Schriftstellerin befindet sich in einer Grauzone und ist tendenziell anrüchig.
By a Lady
Insofern nimmt es nicht Wunder, dass ihre Romane unter dem Pseudonym „by a Lady“ („von einer Dame“) erscheinen, wenngleich mit wachsender Anerkennung die wahre Identität der Autorin bekannt wird. Jane Austen hätte ein individuelles, vielleicht männliches, Pseudonym wählen können. Dass sie sich dafür entscheidet, Geschlecht und ungefähre Standeszugehörigkeit mitzuteilen, darf wohl als Stellungnahme verstanden werden, passend zum Inhalt ihrer Werke. Obwohl sie sich darin als klarsichtige Beobachterin erweist, menschliche Schwächen humorvoll beleuchtet und vor Gesellschaftskritik keineswegs zurückschreckt, werden vor allem die späten Romane positiv aufgenommen. Dass der allseits geachtete Walter Scott ihr größte Achtung zollt, wird dabei nicht ohne Wirkung geblieben sein.
Jane Austens Werk gilt als richtungweisend für die englische Literatur, sowohl stilistisch als auch inhaltlich. Die darin geübte Kritik befasst sich mit der Lage lediger Frauen des gehobenen Bürgertums, in sacht-ironischem Stil. Der Liebesroman, in dessen Zentrum eine unverheiratete Frau steht, dient der Autorin stets als Rahmen sozialer Betrachtungen. Spätere Romane, die zum Teil aus frühen Entwürfen entstehen, sind ebenso genau beobachtet, jedoch erzählerischer verfasst. So beschäftigt sich Jane Austen 1809 mit dem bereits 1796 entstandenen „Elinor and Marianne“, das schließlich 1811 unter dem Titel „Sense and Sensibility“ (Verstand und Gefühl) erscheint. In demselben Jahr überarbeitet sie „First Impressions“, das 1813 als
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