Mörderische Kaiser Route
Schutzbehauptung. Dieter meinte wohl, mit einem Hinweis auf Do könnte er sich herausreden.
Verärgert schaute ich mich um und gab mir alle Mühe, nicht dem Telefonat zu lauschen. Wie ich dennoch mitbekam, sprach Schulz wohl mit Sabine, die während meiner Abwesenheit in der Kanzlei die organisatorischen Fäden in der Hand hielt.
Dieter sagte nicht viel. In erster Linie hörte er zu, nickte blöderweise einige Male verständnisvoll und deutete mir aufgeregt in Zeichensprache an, ich sollte ihm einen Kugelschreiber und ein Stück Papier besorgen.
Wie ich befürchtete, notierte er auf dem Papier eine Telefonnummer mit einer Aachener Vorwahl. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Dahinter steckte wahrscheinlich ein Mandant, der nicht bis nach unserem Urlaub warten konnte. Aber was sollte es schon Elementares geben, das uns davon abhalten könnte, endlich einmal Urlaub zu machen?
Dieter ließ sich auf keine Diskussion mit mir ein. Er hatte das Gespräch mit Sabine kaum beendet, da wählte er auch schon die nächste Nummer und nahm seinen geschäftsmäßigen Tonfall an. „Was gibt’s, Doktor Schlingenhagen?“, hörte ich ihn fragen und schüttelte mich verdutzt.
Dr. Schlingenhagen, das war einer aus der Creme de la Creme von Aachen, einer der Industriellen, die mit Geschick und ohne großes öffentliches Aufsehen ihren Reichtum und die Steuereinnahmen der Kaiserstadt mehrten. Wenn Schlingenhagen sich in unserem Urlaub meldete, musste es tatsächlich irgendwo lichterloh brennen.
Für einen derart wichtigen Mandanten musste Dieter in der Tat immer zu erreichen sein, gestand ich insgeheim meinem Brötchengeber zu, auch wenn ich es ihm niemals sagen würde.
Wieder hörte Schulz mit immer stärker werdender Verwunderung zu, notierte sich schließlich eine weitere Telefonnummer und beendete das Gespräch mit der eilfertigen Zusicherung, er würde sich darum kümmern und sich so schnell wie möglich melden.
„Was gibt’s, Doktor Schulz?“, fragte ich meinen verstörten Freund.
Dieter sah mich lange Zeit nachdenklich an und nippte dann an seinem Kaffee, ehe er antwortete.
„Ich glaube, wir haben gerade Arbeit bekommen.“ Er deutete auf die Zeitungsartikel. „Der Sohn von Schlingenhagen wird verdächtigt, die junge Schülerin ermordet zu haben. Franz Schlingenhagen wird zur Zeit dem Haftrichter vorgeführt und soll wohl in U-Haft genommen werden.“
Das hatte uns noch gefehlt, stöhnte ich in mich hinein. Jetzt liefen uns schon die Mörder oder angeblichen Mörder aus Aachen hinterher und ließen sich ausgerechnet in Paderborn festnehmen.
„Und was gedenkst du jetzt zu tun?“, fragte ich meinen Freund, obwohl ich wusste, was anstand. Vorsorglich winkte ich die freundliche Bedienung heran und bat um die Rechnung. „Ich werde mich im Gericht umsehen und versuchen, bei der Vernehmung dabei zu sein. Vielleicht kann ich erreichen, dass er die U-Haft nicht antreten muss.“ Große Hoffnung schien Dieter allerdings nicht zu haben.
„Wissen Sie, ob Roswitha einen Freund hatte?“, fragte ich die Aushilfsbedienung, als sie mir die Rechnung brachte.
Sie verneinte entschieden.
„Bei uns im Internat hat niemand einen Freund. Das lässt sich mit unserer Erziehung nicht vereinbaren“, sagte das Mädchen errötend. Offenbar glaubte sie selbst nicht ernstlich, was sie da von sich gab. „Wie kommen Sie darauf?“
„Nur so, es hätte ja sein können“, beschwichtigte ich die Schülerin lächelnd.
Schnell eilten Dieter und ich stadtabwärts zum Hotel Arosa, wo wir uns für die Nacht einquartiert hatten. Dieter erachtete sein äußeres Erscheinungsbild als unpassend und wollte sich für seinen Gang zu Gericht und Staatsanwaltschaft umkleiden. Auch wollte er noch Kontakt zu einem Anwaltskollegen in Paderborn aufnehmen.
„Und was machst du?“, fragte er mich und machte mir damit mehr als deutlich, dass meine Anwesenheit bei seiner Tätigkeit nicht erwünscht war.
Ich überlegte nur kurz.
„Wenn’s dir recht ist, fahre ich zur Liebesinsel. Vielleicht entdecke ich etwas, das Schlingenhagen junior helfen kann.“
Ich glaubte zwar nicht daran, aber es schien mir immer noch sinnvoller, mit dem Fahrrad durch die Landschaft zu fahren, als im Hotelzimmer auf Schulz zu warten.
Den Weg nach Schloss Neuhaus die Pader entlang konnte ich gar nicht verfehlen. Nach der Einmündung des Flüsschens in die Lippe folgte ich dem Wasserlauf in den Garten der ehemaligen fürstbischöflichen Residenz Schloss Neuhaus, einem reizvollen
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