Mörderische Kaiser Route
der Staatsanwaltschaft und der Erwartung, bald die Beweise finden zu können, die den Täter eindeutig überführen würden. Damit umschrieben die Blätter diskret die medizinische Untersuchung, durch die festgestellt werden sollte, dass Schlingenhagen die bedauernswerte Tote geschwängert hatte.
„Warum hast du bloß dieser Untersuchung nicht widersprochen?“, hatte ich mit Schulz schon bei der Zeitungslektüre am Frühstückstisch geschimpft.
„Warum sollte ich?“, hatte mein Freund bloß lapidar zurückgefragt, um mich dann doch noch mit einer Antwort zu belehren. „Entweder ergibt die Untersuchung, dass der Junior der Erzeuger ist, was aber immer noch nicht beweist, dass er auch der Mörder ist, oder sie ergibt, dass jemand anders das Mädchen beglückt hat. Dann aber wird’s erst richtig kompliziert“, meinte er.
Ich hatte mich an Dieters Überlegungen nur halbherzig beteiligt und stapfte missmutig neben ihm her, als er durch die Stadt zum das Stadtbild beherrschenden Dom schlenderte. Ich jedenfalls hätte eine Untersuchung so lange abgelehnt, so lange sich Schlingenhagen in Schweigen hüllte, hielt ich ihm ungehalten vor.
„Das kannst du sehen, wie du willst“, hatte Dieter gemeint, als wir am Kapitelsfriedhof vor dem Dom standen. „Wie viele Hasen haben wie viele Ohren?“, fragte er grinsend und deutete auf ein Rundfenster im Kreuzgang.
„Blöde Frage. Ich hau dir gleich eine um die Löffel“, grunzte ich. Ich sah uninteressiert in die Höhe und rieb mir dann verwundert die Augen. Dort waren tatsächlich drei Hasen mit insgesamt nur drei Ohren abgebildet und doch hatte jeder Hase zwei.
„Was lernen wir daraus, mein Freund?“ Dieter schlug mir vergnügt auf die Schulter. „Es ist nicht alles so, wie es auf den ersten Blick und nach unserer Erfahrung scheint. Das gilt bestimmt auch für unseren Mandanten Franz Schlingenhagen.“
Die merkwürdigen Hasen gingen mir während des Tages nicht mehr aus dem Sinn. Sie rannten gewissermaßen im Kreise und schienen doch nicht vorwärts zu kommen.
Damit war ich wieder bei mir. Am liebsten hätte ich große Sprünge gemacht, aber mir ging es wie den Hasen.
Auch ich kam nicht vorwärts, hockte oberhalb der Paderquellen in einem Café und sehnte mich nach Sabines Nähe. Aber darauf nahm mein hartherziger Chef keinerlei Rücksicht.
„Ich dachte, Ihre Schulkameradin Roswitha Thiele hatte keinen Freund?“, fragte ich wissbegierig die Schülerin, die uns wieder bediente. Das Mädchen sah mich verstört an, nachdem sie das Gedeck vor mir abgestellt hatte.
„Roswitha war schwanger, wussten Sie das nicht?“, fuhr ich fort und achtete nicht auf Schulz, der mich zurückhalten wollte. „Oder gibt’s in Paderborn etwa noch die jungfräuliche Geburt?“
Die junge Bedienung errötete und schluckte schwer. Schnell wollte sie gehen, aber ich hinderte sie daran. „Es ist wahrscheinlich besser, wenn Sie mit mir reden, besser jedenfalls, als wenn Sie bald von der Polizei verhört werden“, sagte ich provozierend lässig. „Ihr Chef wird es bestimmt nicht gerne sehen, wenn Sie während der Arbeitszeit zu einem Verhör abgeholt werden.“
Die Schülerin schluckte noch einmal.
„Wie kommen Sie auf die Schwangerschaft?“, fragte sie leise und ich klärte sie über das Obduktionsergebnis auf.
Sie habe davon nichts gewusst, antwortete sie endlich. „Ich kann es mir auch nicht vorstellen. Roswitha war eigentlich schüchtern und zurückhaltend.“ ,Oder sie war das stille Wasser, das so tief und undurchsichtig ist’, dachte ich mir.
„Wir hätten es bestimmt erfahren müssen. Bei uns in der Schule und im Internat bleibt nichts verborgen.“ Das Mädchen lächelte mich verlegen an. „Im wievielten Monat war sie denn?“
Ich gab die mich überraschende Frage weiter an Dieter, der mich zuerst böse anfunkelte, ehe er sich doch zu einer Antwort durchrang.
„Es muss gerade erst passiert sein, vielleicht vor zwei, drei Wochen. So schätzt jedenfalls der Gerichtsmediziner.“
„Also zu Beginn der Sommerferien“, überlegte die Schülerin, „da war ich eine Woche auf Exerzitien.“
„Und anschließend haben Sie nicht mehr mit Roswitha gesprochen?“
„Doch. Aber nicht über eine Schwangerschaft“, antwortete die Bedienung spitz. Sie ärgerte sich anscheinend über meine bohrende Fragerei. Dann mäßigte sie ihren Tonfall. „Sie kam mir etwas ruhiger vor oder sogar verängstigt, aber ich habe mir nichts dabei gedacht.“ Roswitha habe immer nur davon
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