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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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Dusche, aber die Dusche läuft nicht.
    In unserem Alter geht einem ständig ein Gedanke im Hinterkopf herum: Wer tritt als Nächster ab? Und ich fürchte, dass diesmal Jazza an der Reihe sein könnte. Ich sehe ihn vor meinem inneren Auge zusammengebrochen auf dem Boden liegen. Als ich sein Badezimmer betrete, verkrampft sich alles in meiner Brust. Ich schalte das Licht an, und es ist kein Jazza zu sehen.
    Nur sein Armband auf dem Boden der Dusche.
    O Scheiße! Ich drücke die Klingel. Ewigkeiten scheinen zu vergehen. Man hat Experimente durchgeführt, die zeigen, warum uns eine Sekunde länger vorkommt, als sie tatsächlich dauert. Das Gehirn ist ständig in Warteposition. Es beginnt, die Zeit von den Gedanken ausgehend zu messen, anstatt die Wahrnehmungen zugrunde zu legen. Und so drücke ich weiter die Klingel und denke: Komm schon, komm schon!
    Ich erinnere mich an all die Zeiten, da ich vor dem Schlafengehen Jazzas Sender überprüft habe. Immer hat sich gezeigt, dass er friedlich und sicher im Bett lag. Oder fröhlich unter der Dusche stand.
    Ob er das früher wohl schon getan hat? Menschen, die unter Alzheimer leiden, müssen Sie wissen, neigen dazu, einfach loszuziehen. Sie versuchen, mitten in der Nacht in einem Wohnviertel Eis zu kaufen, oder sie packen ein paar Telefonbücher ein und kaufen sich ein Flugticket. Sie begreifen nicht, was sie tun, sie fühlen sich gefangen. Manchmal verzweifeln sie und schlagen um sich. Sie verschwinden einfach und lassen Sie mit Ihren Sorgen, Ihrem Kummer und Ihrer Hoffnung zurück.
    »Wir ihn finden, keine Sorge, Mr. Brewster«, sagt der Junge.
    Und dann sehe ich das Personal der Einrichtung draußen auf dem Rasen mit Taschenlampen herumlaufen. Ein flüchtiger Gedanke streift mich wie ein Windhauch: Alle Schutzsysteme sind ausgeschaltet. Die Lichtkegel tanzen durch die Bäume. Die Ziegelsteine der Mauer werden von unten angestrahlt, wie ein ausgehöhlter Halloween-Kürbis.
    Nichts.
    Ich schleppe mich ins Bett. Die Gehhilfen setzen meinen Knien wirklich zu, schürfen die Haut auf. Ich bin alt, und ich kann nicht schlafen. Hier in der Happy Farm wandern nicht einmal die Scheinwerfer vorbeifahrender Autos über die Decke. Nichts, womit sich das Auge ablenken könnte. Es gibt nur die Mauern und das, was uns bevorsteht, was ständig näher rückt. Besonders nachts.
    Wenn man alt wird, bleiben einem ein paar Dinge. Eins davon sind Vorsätze. Versprechen. Man kann ein Versprechen so lange herausschieben, wie man will, oder es so schnell einlösen, wie man kann. Wichtig ist nur, dass man nicht aufgibt. Ich habe Bessie ein Versprechen gegeben. Also schalte ich meinen Computer ein und hacke.
    Wer kennt SecureIT besser als ich? Nun, es ist einige Jahre her. Ich muss mich durch eine ganze Menge neuer Datenberge wühlen, aber ich schaffe es tatsächlich, Zugang zu den Personalakten zu bekommen. Frage: Wer könnte schon ein Interesse daran haben, sich in die Personalakten zu hacken? Antwort: Einfach jeder.
    Und dann arbeite ich mich durch jeden Namen, jedes Gesicht, jedes aufgezeichnete Stimmmuster. Ich sehe ein Gesicht, das ich kenne, aber nur ganz vage. Ich kenne dieses Mädchen da, irgendwie. Sie hat ein Patent für ein neues Polymer angemeldet und wurde Teilhaberin. Sehr gebildet, sehr hübsch, wirklich klasse Beine. Und mir wird klar, Teufel, sie muss mittlerweile vierzig Jahre alt sein. Sie hat die Firma vor langer Zeit verlassen. Nach mir.
    Ich entdecke einen alten Kerl wie mich, mit schlaffen Wangen und Brille, und ich kann ihn einfach nicht einordnen, aber ich habe so ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend, als wäre ich ein Zeitreisender. Ich habe ihn täglich gegrüßt.
    Einer nach dem anderen zieht an mir vorbei. Wer sind diese Leute, die man ersetzt hat?
    Ein Typ, an den ich mich erinnere, leitet jetzt eine Abteilung. Ist das die Möglichkeit? Er war ein Niemand. Ein Streber. Und jetzt? So etwas wird natürlich Abteilungsleiter.
    Ich betrachte ein mageres, eingefallenes Gesicht, das verängstigt in die Kamera starrt, und plötzlich – zack! – weiß ich, das ist Tommy. Tommy war ein netter junger Bursche, der sich selbst das Programmieren beigebracht hat, und er hatte Talent. Jetzt starrt er mich aus weit aufgerissenen Augen und mit Fältchen um die Mundwinkel herum an, als wäre er von irgendetwas überrascht worden. Als hätte er einen Fehler gemacht, als wäre er am Ende. Sein Anblick erweckt in mir den Wunsch, die Firma aufzusuchen und herauszufinden, was passiert

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