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Monde

Titel: Monde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Sioux sagen, sie bekamen eine Pfeife von dem Berg, aber ich glaube ihnen nicht. Das haben sie erfunden, weil sie eifersüchtig waren. Die Sioux lügen gelegentlich.«
    Baedecker verlagerte das Gewicht und lächelte.
    Robert Sweet Medicine hörte auf zu schnitzen und musterte Baedecker. »Die Sioux behaupten, sie haben einen großen Vogel auf dem Berg gesehen, einen wahren Donnervogel, mit Schwingen einen Kilometer breit und einer Stimme wie das Ende der Welt. Aber das ist keine große Medizin. Das ist Wihio- Schwindel. Jeder Mensch mit nur einem bisschen Medizin kann den Donnervogel beschwören.«
    »Können Sie es?«, fragte Baedecker.
    Der alte Mann schnippte mit den Fingern.
    Zwei Sekunden später erbebte die Erde unter einem Dröhnen, das oben und unten gleichzeitig zu kommen schien. Baedecker erblickte plötzlich etwas Riesiges und Glänzendes hinter sich, dessen Schatten, der ganze Bergflanken bedeckte, auf sie zugerast kam; dann schnellte er auf ein Knie hoch und verfolgte, wie die B-52H ihre Schleife beendete und in nicht einmal hundertfünfzig Metern Höhe, tiefer als Bear Butte, nach Norden verschwand, wobei ihre acht Schubdüsen ein Kielwasser aus schwarzem Rauch in der Nachmittagsluft zurückließen. Baedecker setzte sich wieder und spürte immer noch die Vibrationen des Flugzeugs in den Felsen unter seinen Schenkeln.
    »Entschuldigung, Baedecker«, sagte der alte Mann. Seine Zähne waren gelb und ziemlich kräftig, nur einer der unteren fehlte. »Das war ein billiger Wihio- Tri ck. Sie fliegen jeden Tag um diese Zeit vom Stützpunkt Ellsworth hier vorbei. Man hat mir gesagt, sie benutzen den Berg, um sicherzugehen, dass ihre Radareinrichtungen ihnen beim Fliegen die Wahrheit sagen.«
    »Was ist ein Wihio?«, fragte Baedecker.
    »Das ist unser Wort für › Trickster ‹ «, sagte der Cheyenne, der ein neues Kaktusblatt abschnitt und kaute. »Wihio ist Indianer, wenn er einer sein will, Tier, wenn er eines sein will, und er führt nie Gutes im Schilde. Er kann einen sehr grausamen Humor an den Tag legen. Dasselbe Wort benutzen wir für Spinnen und den Weißen Mann.«
    »Oh«, sagte Baedecker.
    »Viele von uns argwöhnen, dass er der Schöpfer ist.«
    Baedecker dachte darüber nach.
    »Als Mutsoyef diesen Berg herunterstieg«, sagte der alte Mann und machte eine Pause, um einen Rest des Blatts von der Zunge zu nehmen. »Als er herunterstieg, brachte er das Geschenk des Heiligen Pfeils mit, er lehrte uns die vier Lieder und schilderte uns unsere Zukunft – selbst das Aussterben der Büffel und die Ankunft der weißen Männer, die unseren Platz einnehmen –, und dann reichte er seinen Freunden die Pfeile und sagte: › Dies ist mein Leib, den ich euch gebe. Vergesst mich niemals. ‹ Was sagen Sie dazu, Baedecker?«
    »Kommt mir bekannt vor«, erwiderte er.
    »Ja«, sagte der alte Mann. Er hatte eine Wurzel in kleine Stücke geschnitten, jetzt betrachtete er sie stirnrunzelnd. »Manchmal frage ich mich, ob meine Väter und Großväter sich nicht einfach eine gute Geschichte angeeignet haben, wenn sie eine hörten. Spielt aber keine Rolle. Hier, nehmen Sie das in den Mund.« Er überließ Baedecker ein kleines Stück Wurzel, dessen Schale entfernt worden war. Baedecker hielt es in der Hand. »Was ist das?«
    »Ein Stück Wurzel.« Die Stimme des alten Mannes klang geduldig. Baedecker nahm das kleine Stück in den Mund. Es schmeckte leicht bitter.
    »Kauen Sie es nicht und saugen Sie nicht daran«, sagte Robert Sweet Medicine und steckte sich selbst ein etwas größeres Stück Wurzel in den Mund. Er schob es herum bis es seine Wange wölbte wie ein aufgequollenes Stück Kautabak. »Schlucken Sie es nicht«, fügte der alte Mann hinzu.
    Baedecker blieb eine Minute schweigend sitzen und spürte die Sonne auf Gesicht und Händen. »Was soll es bewirken?«, sagte er schließlich.
    Der alte Mann zuckte die Achseln. »Es verhindert, dass ich zu viel Durst bekomme«, sagte er. »Meine Wasserflasche ist leer, und es ist ein langer Weg nach unten bis zum Brunnen an der Information.«
    »Dürfte ich Sie was fragen?«
    Der alte Mann hörte auf, Wurzeln zu schneiden, und nickte.
    »Ich habe eine Freundin«, sagte Baedecker, »die ich sehr liebe und die, vermute ich, sehr weise ist; sie glaubt an die Vielfalt und das Geheimnis des Universums und nicht an das Übernatürliche.«
    Robert Sweet Medicine wartete. Nach einer Minute sagte er: »Wie lautet die Frage?«
    Baedecker strich sich über die Stirn und spürte den

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