Monde
der letzten Phase des Landeanflugs sichtbar gewesen. Sie standen steif in ihren unförmigen Druckanzügen, festgezurrt von einer ganzen Reihe von Gurten und Bügeln und nichts als den konturlosen schwarzen Himmel vor Augen. Während der letzten Zündung und der Abstiegsphase war die Landefähre nach hinten geneigt gewesen, so dass die Mondoberfläche nicht unter ihnen zu sehen gewesen war. Erst in den letzten Minuten hatte Baedecker einen Blick auf das gleißende Geröll der Mondoberfläche.
Genau wie in den Simulationen, hatte er gedacht. Schon damals, während der Landung, hatte er gewusst, dass es mehr sein müsste. Dass er mehr empfinden, mehr spüren sollte. Doch während er automatisch auf die Korrekturen und Anfragen von Houston reagierte, gehorsam die entsprechenden Zahlen in den Computer eingab und Dave die Ergebnisse vorlas, ging ihm immer wieder derselbe unpassende Gedanke durch den Kopf: Genau wie in den Simulationen.
»Mr. Baedecker!« Er brauchte eine Minute, bis der Ruf zu ihm durchdrang. Jemand rief seinen Namen, und zwar schon eine ganze Zeit. Baedecker wandte sich in der Gasse zwischen dem Zollgebäude und der Schalterhalle hin und her und schaute sich um. Tausende Insekten tanzten im Schein der Lampen. Weißgekleidete Menschen schliefen auf den Gehwegen oder kauerten an den düsteren Gebäuden. Dunkelhäutige Männer in weißen Hemden lehnten an schwarzgelben Taxen. Er drehte sich gerade in die andere Richtung, als ihn das Mädchen einholte.
»Mr. Baedecker! Hallo.« Sie blieb mit einem anmutigen Halbschritt stehen, warf den Kopf zurück und holte tief Luft.
»Hallo«, erwiderte Baedecker. Er hatte keine Ahnung, wer die junge Frau war, wurde aber von einem starken Gefühl von Déjà -vu heimgesucht. Wer, um alles in der Welt, sollte ihn um halb fünf Uhr morgens in Neu-Delhi begrüßen? Jemand von der Botschaft? Nein, die wussten nicht, dass er hier war, und wenn, wäre es ihnen egal. Jedenfalls inzwischen. Bombay Electronics? Kaum. Nicht in Neu-Delhi. Und bei dieser jungen Blondine handelte es sich eindeutig um eine Amerikanerin. Baedecker, der sich Namen und Gesichter nie merken konnte, verspürte die altbekannte Aufwallung von Schuldgefühl und Verlegenheit. Er zermarterte sich das Gedächtnis. Nichts.
»Ich bin Maggie Brown«, sagte das Mädchen und streckte die Hand aus. Er schüttelte sie und stellte überrascht fest, wie kühl sie war. Seine eigene Haut kam ihm dagegen geradezu fiebrig vor. Maggie Brown? Sie strich eine Strähne ihres schulterlangen Haars zurück, und wieder beschlich Baedecker das Gefühl, sie schon einmal gesehen zu haben. Er überlegte sich, dass sie möglicherweise für die NASA arbeitete, auch wenn sie zu jung schien, um …
»Ich bin Scotts Freundin«, erklärte sie und lächelte. Sie hatte einen breiten Mund und eine kleine Lücke zwischen den Schneidezähnen. Das war irgendwie niedlich.
»Scotts Freundin. Natürlich. Hallo.« Baedecker schüttelte ihr noch einmal die Hand. Schaute sich wieder um. Mehrere Taxifahrer waren auf sie zugetreten und boten ihre Dienste an. Er schüttelte den Kopf, aber prompt wurde das Plappern noch lauter. Baedecker ergriff den Ellbogen des Mädchens und führte sie weg von dem keifenden Mob. »Was tun Sie hier? In Indien, meine ich. Und noch dazu hier.« Baedecker wies unbestimmt auf die schmale Gasse und den Schatten der Schalterhalle. Jetzt konnte er sich an sie erinnern. Joan hatte ihm ein Bild von ihr gezeigt, als er zum letzten Mal in Boston gewesen war. Die grünen Augen waren ihm im Gedächtnis geblieben.
»Ich bin seit drei Monaten hier«, sagte sie. »Scott hat selten Zeit, mich zu treffen, aber wenn, dann bin ich da. In Poona, meine ich. Ich habe einen Job als Gouvernante gefunden … na ja, eigentlich nicht wirklich als Gouvernante, mehr als Hauslehrerin … bei einer netten Arztfamilie. Im alten britischen Viertel. Wie auch immer, ich war letzte Woche bei Scott, als er Ihr Telegramm gekriegt hat.«
»Oh«, sagte Baedecker. Sonst fiel ihm mehrere Sekunden lang nichts ein. Über ihnen gewann ein kleiner Jet an Höhe. »Ist Scott hier? Ich dachte mir, ich könnte ihn in … wo war das? … in Poona besuchen.«
»Scott ist auf der Farm des Meisters in Klausur. Er kommt erst am Dienstag zurück. Er hat mich gebeten, Ihnen das zu sagen. Ich selbst besuche eine alte Freundin der Education Foundation hier in Alt-Delhi.«
»Des Meisters? Sie meinen Scotts Guru?«
»Dort nennen sie ihn so. Jedenfalls hat Scott mich gebeten,
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