Mondlicht steht dir gut
daß keines seiner übrigen Kinder auf die Idee gekommen war, ihn auf diese Weise zu ehren.
Earl war schon immer der Ansicht gewesen, daß sein Vorname ebenfalls eine gegen Squire gerichtete Spitze darstellte, da der alte Mann stets den Eindruck zu erwecken suchte, er sei nach Generationen von Moores getauft worden, die einst in der Grafschaft Dingle den Ehrentitel Squire trugen. Ein Squire von Dingle zupfte sich in Huldigung eines Earl an der Stirnlocke.
Nachdem Earl seinen Vater endlich davon überzeugt hatte, daß er nicht beabsichtigte, der nächste Bestattungsunternehmer Bateman zu werden, verkauften seine Eltern das Unternehmen an einen Privatkonzern, der daraufhin unter Beibehaltung des Familiennamens einen Geschäftsführer mit der Leitung beauftragte.
Seine Eltern verbrachten nun neun Monate des Jahres in South Carolina in der Nähe seiner verheirateten Schwestern und hatten Earl gedrängt, er möge doch während dieser Zeit das ganze Haus mit Beschlag belegen, doch er hatte dankend abgelehnt. Der Flügel war seinen Bedürfnissen angepaßt, mit seinen Büchern und Artefakten in abgeschlossenen Glasvitrinen, sicher verwahrt gegen womöglich sorgloses Abstauben. Zudem hatte er einen grandiosen Ausblick auf den Atlantik; Earl fand das Meer unendlich beruhigend.
Ruhe. Das war vielleicht das Wort, das er am höchsten schätzte.
Bei dem geräuschvollen New Yorker Zusammentreffen der Nachfahren Squire Moores hatte er sich soviel wie möglich im Hintergrund aufgehalten, wo er sie einfach alle beobachten konnte. Er versuchte nicht allzu kritisch zu sein, aber ihren »Na, kannst du das übertrumpfen?«Geschichten schloß er sich nicht an. Seine Verwandten neigten offenbar alle dazu, damit anzugeben, wie weit sie es gebracht hatten, und wie Liam liebten sie es, einander mit weit hergeholten Geschichten über ihren exzentrischen – und gelegentlich skrupellosen – Ahnherrn zu unterhalten.
Earl wußte auch, wie gern sich einige von ihnen über die Herkunft seines Vaters als Bestattungsunternehmer in vierter Generation lustig machten. Bei dem Familienfest hatte er zufällig mitbekommen, wie ihn zwei Leute dort heruntermachten und billige Witze über Leichenbestatter und ihre Branche rissen.
Soll sie doch alle der Teufel holen, dachte er jetzt, während er seine Beine auf den Boden schwang und sich aufsetzte. Es war zehn vor acht, Zeit, sich allmählich zu sputen. Er freute sich nicht darauf, heute abend zu Nualas Essen zu gehen, doch andererseits würde Maggie Holloway da sein. Sie war außerordentlich attraktiv …
Ja, ihre Anwesenheit würde dafür sorgen, daß es kein langweiliger Abend wurde.
6
Dr. William Lane, Direktor der Latham Manor Residence, blickte zum drittenmal innerhalb von fünf Minuten auf seine Uhr. Er und seine Frau sollten um acht Uhr in Nuala Moores Haus eintreffen; es war jetzt zehn vor acht. Dr. Lane war ein fülliger Mann in den Fünfzigern mit angehender Glatze, und er ging besänftigend und freundlich mit seinen Patienten um – auf eine nachsichtige Weise, die sich nicht auf seine neununddreißigjährige Ehefrau erstreckte.
»Odile«, rief er, »mein Gott noch mal, nun mach schon!«
»Bin gleich soweit.« Ihre musikalische Stimme flutete die Treppe ihres Hauses hinunter, eines Gebäudes, das einst als Remise des Latham Manor gedient hatte. Einen Augenblick später kam Odile ins Wohnzimmer gerauscht, wobei sie sich noch einen Ohrring festmachte.
»Ich hab Mrs. Patterson etwas vorgelesen«, erklärte sie. »Du weißt doch, wie das ist, William. Sie hat sich hier noch nicht eingelebt, und es regt sie wirklich auf, daß ihr Sohn einfach ihr Haus verkauft hat.«
»Sie gewöhnt sich schon noch ein«, sagte Lane abweisend. »Alle andern scheinen es doch auch geschafft zu haben, sich hier am Ende ziemlich wohl zu fühlen.«
»Ich weiß, aber manchmal dauert’s eben eine Weile. Ich finde jedenfalls ein paar Streicheleinheiten wichtig, solange sich ein neuer Gast einlebt.« Odile ging zum Spiegel über dem offenen Kamin aus gemeißeltem Marmor hinüber.
»Wie seh ich aus?« Sie lächelte ihr Spiegelbild mit den großen Augen und den blonden Haaren an.
»Du siehst reizend aus. Tust du doch immer«, sagte Lane knapp. »Was weißt du über diese Stieftochter von Nuala?«
»Nuala hat mir alles über sie erzählt, als sie letzten Montag bei Greta Shipley zu Besuch war. Sie heißt Maggie, und Nuala war vor langer Zeit mit ihrem Vater verheiratet. Sie hat vor, zwei Wochen zu bleiben. Nuala freut sich
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