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Monica Cantieni

Monica Cantieni

Titel: Monica Cantieni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grünschnabel
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Rezept für ein Aufbaupräparat, das mein Wachstum fördern und meinen Kopf bei der Stange halten sollte.
    Seit Ruth und Walter kamen, wischte meine Mutter auch die Fensterscheiben vom Tomatenhaus, sogar von drinnen sah man sie blitzen. Auch beim nächsten Mal setzten sie sich nicht hin, sie setzten sich nie, sie wanderten in der Wohnung herum. Hatten sie etwas mehr Ruhe, tranken sie im Stehen Kaffee, ließen die Augen wandern, und Walter nickte und nickte und nickte. Oder kratzte sich am Kopf, weil ich trotz Salat, frischen Vitaminen und dem Aufbaupräparat nicht wuchs. Er schaute auf einer Tabelle nach, mit welcher Größe ich geliefert worden war, und verglich es mit dem Maßband, das er vor meiner Nase vorbeizog.
    Blaue Augen. Walter hatte blaue Augen. Fast so blau wie der Himmel bei Tat zu Hause, wenn die Sonne schien, fast so blau wie der Rhônegletscher, wie der Blausee und der Klöntalersee, wohin wir die Nachbarin gefahren hatten, damit sie Wind um die Nase bekommen konnte und Farbe ins Gesicht; so blau wie das Blau des Meeres auf Madame Jelisawetas Jugoslawienbildern an der Wand ihres Frisiersalons, so blau wie Badewasser mit Zusatz und so blau wie nasses Ajaxpulver, das meine Mutter verwendete, um das Bad sauber zu kriegen, bevor Ruth und Walter kamen, hellblau wie Tonis schönstes Hemd, so hellblau wie Werner Fernfahrers Auto, so blau, wie Eli manchmal machte.
    Den Kopf hin und her wiegend, notierte Walter sich die Zahl in den Akten . Leute wie ich brauchen Akten , damit man uns sehen kann. Meine Akte fängt wie jede Akte vorne an, sagten Walter und Ruth, und nach hinten ist sie offen. Eigentlich, sagte Ruth, sind eure Akten Listen . Walter seufzte und nickte und wollte noch etwas Wasser haben.
    Walter, der sich jedes Mal länger verabschiedete, jedes Mal mehr Wasser trank, es jedes Mal langsamer tat, seine Notizen immer wieder neu ordnete, den Bleistift verlegt hatte, ihn suchen musste, noch einmal schnaufend durch die Wohnung ging, da ist er ja! rief, dann seine Mappe suchte und feststellte, dass er etwas vergessen hatte aufzuschreiben, sich die Stirn abtupfte, dann den Bleistift ableckte und mit den Kiefern mahlte, während er schrieb, sich räusperte, um sich noch einmal zu verabschieden, dann auf seine Mappe klopfte zum Zeichen, dass er seine Siebensachen beisammenhatte, während Ruth vor der Tür auf und ab ging und mein Vater flüsterte:
    – Rohe Kartoffeln! Ich sag’s euch, der zerreibt rohe Kartoffeln mit einer Hand.
    Dann fiel die Tür ins Schloss, meine Mutter machte das Licht aus, und zurück blieb Ruths Apfelgeruch.
    Wir legten uns aufs Sofa. Das Zimmer zerfiel in Farben, in Blau und Rot und Orange, und aus allen Fenstern fiel Licht herein, alle Lichter hatten Höfe, nichts hatte Kanten, und die Küchenuhr tickte laut, wie immer, wenn ich die Brille abnahm. Ich drehte mich zu meiner Mutter hin, sie sah zur Decke.
    – Wachse ich noch?
    – Hm?
    – Wachse ich noch?
    – Du kommst ganz groß raus. Und an meine Beerdigung laden wir die nicht ein. Weder Ruth noch Walter.

Der Garten ist …
    D ER GARTEN IST NICHTS für Weicheier, weil er nicht immer von Erfolg gekrönt ist. Er braucht richtig viel Regen, richtig viel Sonne, alles zur richtigen Zeit und alles in richtigen Portionen. Es braucht Glück, sagte mein Vater. Letzten Herbst hatte er keins, er musste alles unterackern. Eli sagte, er hätte in den zwei Tagen mehr schweizerdeutsche Flüche kennengelernt als in den letzten fünf Jahren auf dem Bau. Trotzdem konnte sich mein Vater im Garten erholen. Er fasste gern in die Erde, zerrte Steine und Wurzeln heraus und warf mit Kieseln nach Oskar, der im Nachbargarten nicht aufhörte zu bellen. Er stach die Beete in Rekordzeit um, ließ mich die Zeit mit der Stoppuhr messen, und wenn er summend den Hühnermist auf die Kürbispflanzen verteilte, sah es aus, als würze er sie.
    Auf dem Fensterbrett trockneten Samen und Kerne. Es war verboten, die Fenster aufzureißen, weil dann außer Kürbissen und Äpfeln die Tomaten, Gurken und Zucchini durch die Luft flogen und das zukünftige Gemüse sich in die umliegenden Gärten verteilte, wo es vor den Augen meines Vaters verluderte und verkümmern musste. Meine Mutter verdrehte die Augen.
    – Ich pass schon auf.
    – Die Sonne bringt es an den Tag.
    Die Sonne brachte es an den Tag. Er zuckte aus dem Klappstuhl hoch und schrie:
    – Ich mach aus Oskar Wurst. Da! Seht euch das an.
    Oskar pinkelte an eine Tomatenstaude, die über den Zaun geflogen sein

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