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Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Titel: Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jaeckel
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Dinge zu entwickeln. Schließlich ist Sex die schönste Nebensache der Welt. Und das ist auch gut so. Nur Kranke oder Verklemmte können Sex nicht genießen ...« Und so weiter und so fort.
    Glaubte dieser Mensch etwa, was er da faselte? »Schönste Nebensache der Welt«! Dass ich nicht lache! »Einziger Lebenszweck«, hätte er sagen müssen. Wie konnte man nur so lügen und dabei das unschuldigste Gesicht der Welt machen?
    Das Buch, so viel war sicher, würde ich jedenfalls nicht anrühren. Den Anschauungsunterricht kannte ich. Kein Bedarf mehr bis zum Nimmerleinstag.
    Meine Gedanken drifteten ab. Ich hörte nicht mehr, welche Lebensweisheiten mein Vater noch absonderte. Plötzlich aber rissen mich zwei Namen in die Gegenwart zurück. »Theo und Hedi haben uns eingeladen. Ihr neues Büro wird heute eingeweiht. Ein schöner Rahmen für eine festliche Geburtstagsfeier, Monika, nicht wahr?«
    »Und wir?«, rief Georg, ehe ich antworten konnte. »Was ist mit uns?«
    »Ihr bleibt bei Oma Grete und Tante Inge«, sagte mein Vater. »Wenn Erwachsene feiern, gehören Kinder ins Bett.«
    »Und wer kommt noch?«, fragte Georg. »Garantiert Heike, diese alberne Zicke.«
    »Nicht schlecht, Herr Specht!«, grinste mein Vater. »Schnüffler leben länger, was?«
    Zum Glück rettete Stefan die Situation, indem er eine in glänzendes Goldpapier eingewickelte Luftpumpe hinter dem Rücken hervorzauberte und sie mir mit den Worten überreichte: »Heute ist ein idealer Tag für die goldene Luftpumpe; 16 Jahre Panne im Kopf. Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gewonnen!«
    Alles lachte durcheinander, am lautesten ich. Ich war wirklich glücklich. So ein glänzendes Geschenk hatte ich noch nie erhalten. Typisch Stefan, immer einen netten Gag auf Lager.
    Nur Georg konnte das gar nicht witzig finden. »Fies!«, schimpfte er. »Mami, ist der gemein!«
    »Miesepeter«, lachte ich und ließ mir meine Freude über das witzige Geschenk nicht nehmen.
    Die Bedeutung von Stefans Spruch ging mir erst Jahre später richtig auf. Panne im Kopf – Stefan hatte es klar erkannt. Vielleicht bedurfte es ernstlich einer goldenen Luftpumpe, um den Schaden zu beheben. 16 Jahre – höchste Zeit, endlich durchzublicken, eine Lösung zu finden, das eigene Leben in die Hand zu nehmen. Pech nur, dass der goldenen Luftpumpe keine Gebrauchsanweisung beilag.
    Zumindest an diesem Geburtstag dachte ich nicht weiter, als die Nase lang ist. Theo und Hedi, entfernte Verwandte, waren mir bekannt, auch Heike, ihre Tochter. Wir sahen uns nicht oft. Bisher hatte ich sogar den Eindruck gehabt, mein Vater ginge ihnen bewusst aus dem Weg. Aber vielleicht projizierte ich nur mein eigenes Unbehagen auf ihn. Mir lag nämlich absolut nichts daran, diese Leute wiederzusehen. Theo hatte meinen Vater und mich einmal in ganz eindeutiger Situation überrascht. Was musste er von mir denken?
    Den ganzen Tag über versuchte ich, nicht an den Abend zu denken. Da ich Georg in die Ereignisse des Eifeler Wochenendes nicht eingeweiht hatte, konnte ich meine schwarzen Befürchtungen nicht einmal bei ihm loswerden. Heike würde dabei sein. Heike und ich. Zufall? Heike war 13, kaum älter als Elvira.
    »Lieber Gott, mach, dass es nicht passiert!« Im Stillen betete ich in jedem ruhigen Moment dieses Tages. Doch da ich selbst mir nicht helfen konnte, half Gott mir auch nicht. Die Lebensweisheit der goldenen Luftpumpe.
    Wie absurd, dass Georg und Boris mich um den festlichen Abend glühend beneideten! »Einmal so ein Glück haben wie du und dann sterben!«, meinte Boris. Georg widersprach nicht.
    Mein Beten konnte die Zeit nicht anhalten. Es wurde schon früh dunkel an diesem zweiten Adventssonntag. Meine Mutter, die eine Ewigkeit im Bad verbracht hatte, sah aus wie eine ausgestopfte Vogelscheuche. Wusste sie, was auf uns zukam?
    Als ich mich endlich überwunden hatte, sie zu fragen, was für eine Feier eigentlich geplant sei, verzog sie spöttisch den Mund. »Eine Überraschung. Papas Idee. Du wirst schon noch früh genug mitkriegen, was es ist.«
    Mein Magen schmerzte. »Zieh aus!«, befahl ich ihm stumm. »Mach dich klein!« Aber er gehorchte nicht. Mir war übel zum Erbrechen.
    Georg und Boris brachen gleichzeitig mit uns auf. Wie gern wäre ich mit ihnen zu Tante Inge oder Oma Grete gegangen! Advent wurde bei ihnen mit viel Gepränge begangen. Schließlich waren wir gute Katholiken, die sich mit Ernst und Feierlichkeit auf die Ankunft Jesu vorbereiteten. Selbst mein Vater bekam vor Rührung

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