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Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Titel: Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jaeckel
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herausrückte, schrieb sie oft kurz entschlossen einen Scheck über vierhundert oder sechshundert Mark aus, unterzeichnete mit Papas Namen und schickte Georg oder mich damit zur Bank. Ich weiß noch gut, dass Georg schon mit sechs Jahren allein mit der Straßenbahn losfahren und mehrere wirklich lebensgefährliche Straßen überqueren musste, um heimlich Geld abzuheben.
    Wenn mein Vater einem von uns auf die Schliche kam, gab es jedes Mal eine gehörige Tracht Prügel. Meine Brüder erhielten außerdem Hausarrest oder Fernsehverbot. Ich selbst musste, nachdem ich meine Senge bekommen hatte, anschließend zur Versöhnung mit Papa ins Bett. Doch das schreckte mich nicht ab. Die Aussicht auf einen Pulk mich bewundernder, um dieses oder jenes anbettelnder Jungen ließ mich vieles in Kauf nehmen. Und außerdem wurde ich natürlich immer geschickter bei meinen Gelddiebstählen.
    Waren alle anderen Möglichkeiten der Geldbeschaffung ausgereizt, dann gab es ein letztes Zaubermittel: Pornos. Die Bestände meiner Eltern waren unerschöpflich. Natürlich war es uns Kindern bei Strafe verboten, auch nur einen Blick darauf zu werfen, geschweige denn die Schmierenblätter zu klauen. Aber die Hefte mit den widerlichen Bildern waren bei meinen so genannten Freunden so gefragt, dass ich immer wieder zugriff.
    Unangenehm wurde es für mich, als einmal eines der Hefte während des Unterrichts aus meiner Schulbank fiel. »Was ist das?« Mein Lehrer schrie sich rot. »Wo hast du das her? So eine Schweinerei!«
    Natürlich endete die Geschichte vor dem Rektor. Meine Eltern wurden einbestellt und mit den Pornoheften konfrontiert – auch den anderen, die man noch bei mir gefunden hatte.
    »Nein, von uns hat sie diese Dinger ganz bestimmt nicht!«, sagte mein Vater. Er schien aufrichtig empört. »Die muss sie irgendwo gefunden haben. So sind Kinder nun mal – stöbern überall herum.«
    Der Rektor sprach ernste Worte. Meine Eltern versprachen Abhilfe. Und ich hatte vor Angst die Hosen voll.
    An den Tagen darauf fiel mir das Sitzen schwer. Nicht etwa wegen der Prügel – die waren rasch verdaut –, sondern weil mir mein Vater Anschauungsunterricht erteilte. Wenn jemand so wissbegierig war wie ich, durfte der Wissensdurst nicht ungestillt bleiben. Da behob man das Informationsdefizit am besten durch praktische Übungen.
    So kam es, dass ich erstmals Lederklamotten trug, während ich windelweich geschlagen wurde.
    Mein Mackergehabe machte zu Hause vor allem Stefan das Leben schwer. Da war zum Beispiel die Sache mit dem Gummitwist. Sie kennen bestimmt dieses Spiel mit dem langen Gummiband noch, bei dem zwei Spieler als Gummihalter fungieren, während der dritte das Band in den verschiedensten Figuren überspringen muss. Ich liebte dieses Spiel. Das Problem war nur, dass es ein ausgesprochenes »Weiberspiel« war; Jungen über zehn gaben sich dafür absolut nicht mehr her. Mit Mädchen aber wollte ich nicht spielen. Was also tun?
    Die Lösung fand sich in Gestalt zweier Stühle in unserem Kinderzimmer. Um ihre Beine schlang ich das Gummiband – und ab ging die Post. Der Nachteil war, dass ich selbst tun musste, was sonst die Mitspieler taten: das Band immer etwas höher schieben. Der Vorteil lag darin, dass mich niemand auslachen konnte.
    Meine Begeisterung und meine Ausdauer beim Gummitwisten waren unschlagbar. Ich sprang, dass Tisch und Betten zitterten und die Deckenlampe im Takt schwang. Ich nahm kaum wahr, dass es unten im Gegenrhythmus zu klopfen begann. Auch als es plötzlich an der Wohnungstür Sturm läutete, kümmerte ich mich nicht darum. Stefan war ja da, sollte er doch öffnen! Munter hüpfte ich weiter.
    Erst als es draußen zu brüllen begann: »Seid ihr total verrückt geworden? Was ist das für ein Höllenlärm? Stellt das ab, und zwar dalli!«, da schwante mir Übles. In meinem Magen begann es zu ziehen. Doch ich achtete nicht darauf. Das Gummitwisten war wie ein Zwang.
    »Monika, verdammt, hör auf, du blöde Kuh!« Stefan stand wie ein Stier in der Tür. Er füllte sie fast aus, so groß war er.
    Ich grinste ihn an. Meine Miene machte ihm unmissverständlich klar: »Komm doch, wenn du was von mir willst!«
    Mit einem Satz war Stefan bei mir. Irgendetwas blinkte in seiner Hand. Zerschnitten fiel das Gummiband zu Boden.
    »Zufrieden?« Stefan steckte das Band mit einem verächtlichen Schnauben in die Tasche.
    Ich kochte vor Wut. Mir mein Twistband zu zerschneiden! Ich wusste: Diese Schmach konnte ich nicht auf mir sitzen

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