Monkeewrench 02 - Der Koeder
Volksseele wirklich zum Kochen bringen.»
Gino warf die Hände in die Höhe. «Was ist bloß los mit diesen Leuten? Wenn ich ein Reporter wäre, der die Agenturmeldungen nach Themen durchkämmt, die von nationalem Interesse sind, würde ich mich sofort auf die Geschichte von dem alten Mann stürzen, den man gequält und an ein Eisenbahngleis gebunden hat.»
Malcherson seufzte. «Der Mord war nur ein Einzelfall. Sensationell, ja, aber für Sensationslüsterne gibt es in diesem Land täglich Dutzende von Morden. Hingegen bearbeiten Sie drei Morde, und wenn auch niemand laut von spricht, denken tun sie es alle. Das allein schon reicht, um landesweit Aufmerksamkeit zu wecken. Schürt man noch das Entsetzen über unbegreifliche Morde an Überlebenden der Todeslager, kann man sicher sein, die Blicke des ganzen Landes auf sich zu ziehen.»
Magozzi verspürte ein Kitzeln tief in seinem Kopf, als würden kleine Gehirnzellen aufstehen und mit den Armen fuchteln, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Er schloss die Augen und runzelte angestrengt die Stirn. Konzentriert.
«Was ist denn, Detective?», fragte Malcherson.
Magozzi öffnete die Augen und sah den Chief an. «Ich weiß es nicht. Aber es wird mir schon einfallen.»
KAPITEL 26
Als Magozzi und Gino Chief Malcherson in der Imbissstube zurückließen, war die Sonne bereits hoch in einen dunstigen, fast weißen Himmel gewandert. Die Luft war schwül und drückend, und die Quecksilbersäule kratzte bereits an der 20-Grad-Marke. Als sie auf der 394 nach Westen fuhren, konnten sie sehen, wie sich der Dunst am Horizont zusammenballte und den Himmel aufwühlte.
«Da kommt sie», bemerkte Gino, der von seinem zwecklosen Gefummel an den Knöpfen der unbrauchbaren Klimaanlage aufsah. «Die kanadische Kaltfront lässt sich nicht mehr aufhalten, und wenn das Baby hier ankommt, erleben wir den Zusammenprall der Titanen.»
«Sie haben gesagt, irgendwann heute Abend», sagte Magozzi. «Für den ganzen Bundesstaat gilt Tornadowarnung.»
«Wie irre ist das bloß? Vor zwei Wochen habe ich noch zehn Zentimeter Schnee von der Auffahrt geschaufelt, und jetzt sieden wir in unserem eigenen Schweiß und suchen den Himmel nach Trichterwolken ab.»
«Willkommen in Minnesota.»
Zwanzig Minuten später lenkte Magozzi ihr Fahrzeug auf kurvigen Straßen mit schönen Ausblicken durch eine bewaldete Siedlung, die sich alle Mühe gab, wie eine Minnesota-Wildnis auszusehen. Sie besaß zwar die entsprechenden Elemente – reiche Bestände alter Bäume, sprudelnde Bäche, die von der Schneeschmelze und dem Frühlingsregen gespeist wurden –, aber die Natur hatte ihre Hand hier nicht im Spiel, sondern die kommunale Planungsbehörde.
Es gab weder Unterholz noch heruntergefallenes Reisig zwischen den Bäumen, keine geknickten Äste, die davon kündeten, dass vor kurzem noch ein Sturm durchgezogen war, und wenn ein Blatt es gewagt hatte, im vergangenen Herbst auf die unmarkierte Asphaltstraße zu fallen, war es schon seit langem weggekehrt worden.
In diesem Teil von Wayzata gab es keine Grundstücke. Hier nannte man «Ländereien» sein Eigen, und nur ab und zu konnte man einen kurzen Blick auf eines der weitläufigen Landhäuser erhaschen, die weit zurückgesetzt von der Straße standen und zudem durch strategische Finessen der Landschaftsgärtner abgeschirmt waren.
Gino blickte aus dem Fenster und machte ein zutiefst argwöhnisches Gesicht. «Okay, hier stimmt etwas nicht. Es gibt keine Schlaglöcher in dieser Straße. Himmel noch mal, wir haben Frühling in Minnesota. Dazu gehören einfach Schlaglöcher. Und der verdammte Asphalt sieht aus wie blank poliert. Hast du dir das Haus auf dem Hügel reingezogen, an dem wir gerade vorbeigefahren sind?»
Magozzi schüttelte den Kopf und nahm den Blick nicht von der Straße, weil er eine Haarnadelkurve nehmen musste, die dem natürlichen Verlauf eines offenbar höchst verwirrten Bachs folgte. «Es muss noch einen anderen Weg zu Jack Gilberts Haus geben. Völlig unmöglich, dass er betrunken auf dieser Straße fahren kann.»
«Ich weiß nicht. Wäre vielleicht sogar hilfreich, betrunken zu sein. Mann, das Ding windet sich wie mein Dünndarm.»
«Sehr appetitlicher Vergleich, Gino.»
«Danke. Irgendwie gefallen mir die vielen Kurven, und man findet sie eben nur noch in so schnieken Siedlungen. Macht mich stinksauer, dass die Verkehrsbehörde all unsere Straßen begradigt, als könnte keiner von uns ein Lenkrad halten.
Weitere Kostenlose Bücher